SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

20JAN2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ilona engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich in der Kirche. Für sie gehört der Glaube einfach zum Leben dazu. Nur ihr Sohn zieht da nicht mit. Als Jugendlicher kann er mit der Kirche gerade nichts anfangen.

Als ich bei Ilona in der Küche stehe, bittet sie mich spontan um Unterstützung. „Martin“, sagt sie, „rede Du doch mal mit dem Jungen. Du hast doch Theologie studiert.“ Es geht auch gleich richtig los. Ihr Sohn sagt: „Ich will Ingenieur werden. An der Kirche passt mir nicht, dass sie die Wissenschaft blockiert. In der Schule haben wir gelernt, wie die Kirche Galileo Galilei verurteilt hat. So was Bescheuertes!“

Die Geschichte mit Galilei finde ich auch skandalös. Was hat sich der Papst vor 400 Jahren nur gedacht als er Galilei einsperren ließ? Es gibt doch so viele andere Beispiele, wo der christliche Glaube und die Wissenschaft Hand in Hand gegangen sind. Etwa bei Albertus Magnus, der vor 800 Jahren gelebt hat. Albertus hat als Mönch, Bischof und Wissenschaftler gearbeitet. Er hat in Köln und Paris studiert und gelehrt. Hat als Geologe und Botaniker geforscht und viele Schriften verfasst. Noch heute sind viele Kirchen und Schulen nach ihm benannt.

Galileo Galilei und Albertus Magnus hätten sich sicher gut verstanden. Schließlich hat schon Albertus gesagt: „Aufgabe der Naturwissenschaft ist es nicht, alles, was berichtet wird, einfach hinzunehmen. Sie hat vielmehr die Ursachen im Naturgeschehen zu ergründen.“   

Der Sohn von Ilona zuckt mit den Schultern und verschwindet schnell in seinem Zimmer. All das liegt für ihn wohl schon zu weit zurück. Aber Ilona ist jetzt mitten drin. Sie sagt: „Wie sich Glauben und Wissenschaft verbinden lassen, beschäftigt mich schon lange. Erzähl mir mehr von Albertus Magnus.“. Ich erzähle ihr, wie Albertus durch ganz Europa gereist ist und Wissen gesammelt hat. Auch Bücher von jüdischen und muslimischen Gelehrten hat er gelesen. Hauptsache, er konnte mehr über die Natur erfahren und verstehen.

Vor 30 Jahren hat Papst Johannes Paul II. Galileo Galilei rehabilitiert. Damit hat der Papst deutlich gemacht, dass Glaube und Vernunft keine Gegensätze sind. Albertus wusste das schon im Spätmittelalter. Für ihn gehörten Glauben und Vernunft unbedingt zusammen. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: „Die vornehmste Kraft des Menschen ist die Vernunft. Das höchste Ziel der Vernunft ist die Erkenntnis Gottes.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34658
weiterlesen...