SWR2 Wort zum Tag

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18JAN2022
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Mein Schwager Markus ist sehr darum besorgt, dass seine beiden Söhne gut aufwachsen. Er ist sich sicher: Jungen haben es heute nicht leicht. Markus sagt: „In der Schule fällt der Sportunterricht oft aus. Aber die Schulleitung verdreht nur die Augen, wenn ich anspreche, dass meine Jungs mehr Bewegung bräuchten.“  

Markus hat sich eingelesen und fragt sich, in welcher Welt seine Söhne aufwachsen: Statistisch gesehen leben Männer ungesünder als Frauen. Sie sind häufiger spielsüchtig oder alkoholkrank. Jungs haben mehr Probleme in der Schule und sind später häufiger arbeitslos. Männer sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Markus meint: Da muss sich was ändern!

Ich bin etwas ratlos. Die Probleme mag es geben, aber was könnte da helfen? Markus schlägt vor: Es braucht eine neue Männerbewegung. Vor einigen Jahrzehnten, in den 70er und 80er Jahren, gab es das doch schon mal. Junge Männer, die sich gefragt haben, ob sie eigentlich immer so stark und cool rüberkommen müssen. Auf einmal haben Männer lange Haare und Schlaghosen getragen. Doch viel wichtiger als die Mode war die Frage, wie sie sich emanzipieren können. Weg mit den alten Bildern von starken Helden, die schwache Frauen beschützen. Hin zu etwas Neuem: Männer, die zu ihren Gefühlen stehen. Die liebevoll zu sich und anderen sind.    

Ob Markus eine neue Männerbewegung ins Leben ruft, kann ich noch nicht sagen. Doch er spricht viel mit seinen Söhnen. Mitten in der Pubertät will er ihnen zeigen: Ihr seid nicht männlicher, wenn ihr mehr Alkohol als andere trinkt. Oder er spricht mit ihnen über den neusten Blockbuster im Kino: Da sind Typen zu sehen, die schnelle Autos fahren und dicke Bizeps haben. Männer, die hart gegen sich selbst und andere sind. Markus will dem etwas entgegensetzen: Ihr seid cool, wenn ihr Klavier spielt, dem Nachbarskind bei den Hausaufgaben helft oder Mittagessen kocht.

Markus hat mich nachdenklich gemacht. Welche Rolle den Geschlechtern zukommt, muss neu bestimmt werden. Da muss sich in Schule und Beruf noch einiges verändern. Doch in den Familien fängt es an: Da braucht es Mütter und Väter, Omas und Opas die kritische Fragen stellen. Die mit ihren Kindern und Enkeln darüber sprechen, wie sie sich sehen. Wie sie ein gutes Verhältnis zu sich selbst entwickeln. Und das gilt für Mädchen und Jungen gleichermaßen.

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