Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10JAN2022
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Wenn ich morgens durch die Tageszeitung blättere und bei den Todesanzeigen ankomme, entdecke ich da manchmal ein Symbol. Einen Kreis mit einem Punkt darin. Für mich ist das ein Hinweis, dass ein Pfadfinder verstorben ist. Denn als alte Pfadfinderin kenne ich das Symbol nur zu gut. Es ist ein Wegzeichen und bedeutet: „Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen.“ Früher haben wir den Kreis mit dem Punkt beim Schnitzeljagd-Spielen verwendet. Wenn ich das Zeichen jetzt aber in der Zeitung oder auch online sehe, dann sehe ich, wofür es noch steht: Für Pfadfinder, die ihre Aufgabe im Leben erfüllt haben.

Als Pfadfinderin habe ich einmal das Versprechen abgelegt, mein Bestes zu tun, die Welt ein wenig besser zu verlassen, als ich sie vorgefunden habe. Eine Mammut-Aufgabe und klar, ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde. Aber ich arbeite daran, immer und immer wieder. Ob ich die Welt dann auch wirklich verbessert verlasse, das können später nur andere sagen.

Und das sehe ich eben, wenn ich den Kreis mit dem Punkt entdecke. Da ist nicht nur jemand gestorben, sondern da hat auch jemand seine Aufgabe erfüllt. Sie oder er hat die Welt ein Stückchen besser gemacht. Für Pfadfinder heißt das nicht nur, dass sich da jemand stark für die Natur eingesetzt hat und mit ihr besonders schonend umgegangen ist. „Ein Stückchen besser gemacht“ kann auch bedeuten, dass sich da jemand besonders für Andere eingesetzt hat. Damit z.B. auch Kinder im Rollstuhl auf ein Zeltlager fahren können.

Wenn Pfadfinder unterwegs sind, dann sind sie das gemeinsam und füreinander. Aber nicht nur für sich, sondern auch für andere. Insbesondere auch für die Menschen, die Unterstützung und Hilfe benötigen, weil sie sonst von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Und Pfadfinder setzen sich für einen sorgsamen Umgang mit der Schöpfung ein.

Und wenn ich jetzt an das Schnitzeljagdspielen zurückdenke, da haben wir früher selbst entschieden, wann die Aufgabe erledigt war und das Zeichen gesetzt. Beim Tod setzen das Zeichen andere Pfadfinder für einen. Wir selbst entscheiden nicht, wann die Aufgabe erfüllt ist. Aber ich kann versuchen, mein Bestes zu geben. Auch wer kein Pfadfinder gewesen ist, kann das versuchen. Weil es unsere Welt und wir als Gesellschaft verdienen, dass wir gegenseitig auf uns achten. Und wenn dann einmal meine Aufgabe im Leben erfüllt ist, kann ich gut nach Hause gehen. Dafür steht der Kreis mit dem Punkt darin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34605
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