Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05JAN2022
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Zur Weihnachtszeit gehört auch die biblische Geschichte, wie das kleine Jesuskind kurz nach seiner Geburt in den Gottestempel nach Jerusalem gebracht wird. Nach jüdischer Tradition wollen seine Eltern dort zwei Tauben für ihren ältesten Sohn opfern. Ein Ereignis am Rande ist mir indieser Geschichte sehr wichtig geworden:

Wie die kleine Familie zum Tempel kommt, begegnet ihr nämlich ein alter Mann - Simeon. Simeon hat viel gesehen und erlebt. Er ist ein interessierter Mensch, nicht gleichgültig gegenüber dem Leben oder seinen Mitmenschen. Zeitlebens hat er nach Gott gefragt, nach seinen Geboten, danach, was gut ist und was böse. Ich stelle mir vor, dass das für Simeon im Laufe seines Lebens nicht leichter geworden ist. Je mehr Jahre hinter einem liegen, desto mehr schlimme Dinge hat man ja auch erlebt: Streit, was die Gier nach Macht anrichten kann, den Tod geliebter Menschen, Betrug und so weiter und so weiter. Ich denke, es ist nicht so einfach, den Glauben an das Gute aufrecht zu erhalten, wenn man so viele Jahre gelebt hat, wie Simeon. Jetzt steht er kurz vor seinem Ende. Und fragt sich vielleicht, ob es das alles wert war.

Und trotzdem - immer noch zieht es Simeon zum Tempel. Immer noch sucht er die Nähe zu seinem Gott - und begegnet dem Jesus-Kind. In diesem Moment begreift er, dass er Gott tatsächlich gefunden hat, als ein Baby, dass am Anfang seines Lebensweges steht. Genauso hatte Simeons Leben auch einmal begonnen. Gott macht sich auf die gleiche Reise, und die wird auch für ihn nicht leicht werden. Auch auf dieses Kind warten schlechte Erfahrungen und Ungerechtigkeiten. Die menschliche Gier nach Macht wird es einmal sogar das Leben kosten. Aber - es ist Gott selbst, der diesen Weg antritt. Und mit jedem Schritt beweist er, dass er stärker ist. Der Mann, zu dem das Jesuskind einmal werden wird, gibt nie auf, lässt sich den Mund nicht verbieten. Er resigniert nicht. Und am Ende ist er sogar stärker als der Tod.

Simeon sucht Gott und findet ihn auf dem Weg durchs Leben, wie wir ihn alle gehen. Simeon begegnet Hoffnung - auch noch ganz am Ende des Lebens.

Gerade beginnt ein neues Jahr, ein neuer Schritt. Und jeden Schritt geht das Kind aus der Krippe mit. Gesegnet ist, wer am Wegesende mit Simeon singen kann: „Herr, jetzt kann dein Diener in Frieden sterben, wie du versprochen hast. Denn mit eigenen Augen habe ich gesehen: Von dir kommt die Rettung.“ (Lukas 2, 29-30 Basisbibel)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34603
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