SWR1 3vor8

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06JAN2022
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Die Herrlichkeit des Herrn geht strahlend auf über dir[1]. So steht es beim Propheten Jesaja. Aber das ist über zweitausend Jahre her. So lautet die Verheißung an Jerusalem. Aber ist nicht gerade Jerusalem der Ort, wo es mit der Herrlichkeit nicht weit her ist, so viel Unfrieden wie dort herrscht? Auch die Christenheit feiert die Herrlichkeit des Herrn. Gerade heute am Erscheinungsfest. Aber weit und breit nichts davon zu sehen. Eine Pandemie, die das Leben lähmt. Ein schwelender Konflikt in der Ukraine. Und auch in meiner Kirche: mehr Dunkel als Licht. An einer optischen Täuschung kann es kaum liegen. Woran dann?

Bei Jesaja heißt es weiter: Siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der Herr auf[2]. Über Dir. Es heißt dort ausdrücklich nicht über Euch, oder über uns. Was Jesaja verheißt, ist an den Einzelnen gerichtet. An jeden, der die Verheißung ernst nimmt. Also muss ich bei mir nach der Herrlichkeit forschen; bereit sein, sie zu sehen, wenn sie aufgeht, strahlend, wie es heißt. Zwei Voraussetzungen könnten dafür wichtig sein. Ich muss glauben, dass Gott das kann und dass er es tun wird. Und: Ich muss mein inneres Auge so schulen, dass ich die Herrlichkeit Gottes zu sehen lerne.

Neben der Bibelstelle aus Jesaja wird heute an Dreikönig in den Kirchen die Episode von den Sterndeutern aus dem Osten gelesen. Sie scheinen dazu in der Lage gewesen zu sein. Sie hatten eine Vorstellung von der Herrlichkeit Gottes. Darauf haben sie sich jahrelang vorbereitet. Sie sind zur rechten Zeit aufgebrochen. Sie haben einen weiten Weg zurückgelegt, und die Schmeicheleien des heimtückischen Königs Herodes hinter sich gelassen. Als sie schließlich in Betlehem ankommen, bei Jesus, werden sie - wie es heißt - von sehr großer Freude erfüllt[3]. Und dann wissen sie: Das ist es. Das ist der Hinweis auf die Herrlichkeit Gottes.

Von Freude erfüllt sein, von sehr großer Freude. Wann ist das bei mir so? Wenn ich sehe, dass ein anderer Mensch glücklich ist, vielleicht nach einer langen Zeit, in der er traurig war. Wenn ich erlebe, dass ein Streit endgültig gelöst werden konnte, nichts mehr übrig bleibt an Häme und Ärger. Wenn ich ein Liebes-Paar sehe, das sich gefunden hat, und deren Glück auf mich und andere überspringt.

Ich glaube, dazu ist Gott Mensch geworden: dass wir seine Herrlichkeit dort aufstrahlen sehen, wo wir so sind. So, wie wir es bei Jesus gesehen haben.

 

[1] Jesaja 60,1b

[2] Jesaja 60,2

[3] Matthäus 2,10b

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34538
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