SWR1 3vor8

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25DEZ2021
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Jeden Abend um sieben zündet Andrea eine Kerze an und stellt sie ins Fenster. Seit bald zwei Jahren macht sie das. Zunächst wegen Corona. Das haben während des ersten Lockdowns ja viele gemacht, um der Einsamkeit etwas entgegenzusetzen. Um denen, die einen Menschen verloren haben, zu zeigen: ihr seid nicht allein. Wir trauern mit Euch.

Bei Andrea ist im Lauf der Zeit noch etwas dazugekommen, denn im Haus gegenüber wohnt Christine. Christine ist in diesem Jahr schwer krank geworden, und es hat viele Wochen gedauert bis es ihr wieder besser ging. Eine harte Zeit. Umso wichtiger war das Licht. Denn wenn auch Christine um sieben eine brennende Kerze auf die Fensterbank gestellt hat, wusste Andrea: Auch wenn nicht alles gut ist – für heute geht es.

Für mich ist das Weihnachten! Ein kleines Licht, das die Welt heller und liebevoller macht, kommt in aller Dunkelheit zur Welt. Und genau von diesem Licht ist heute in katholischen Gottesdiensten zu hören. Es ist ein Text, den der Evangelist Johannes geschrieben hat. Und zugegeben: seine Weihnachtsgeschichte klingt anders als die, die man sonst so kennt. Da ist nichts von der Krippe im Stall, den Hirten und Engeln zu hören. Johannes beginnt sein Evangelium eher mit einer Art philosophischer Betrachtung. Er schreibt: “Im Anfang war das Wort…in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis.“ (Joh 1,1-5) Mit dem Licht ist Jesus gemeint. Jesus ist das Licht, das zur Welt kommt und in der Finsternis leuchtet.

Mir gefällt diese Beschreibung von Gott, vom Licht in der Finsternis. Denn sie passt so gut zu dem, was ich erlebe. Das Leben ist nicht nur hell und schön. Menschen werden schwer krank, wir alle sterben irgendwann. Menschen hassen sich, tun sich Schlimmes an, oder es fehlt ihnen an so vielem. Und manchmal fehlt sogar die Kraft oder der Mut zum Leben. Manchmal ist alles nur finster. Stockfinster. Und dann sind da noch die alltäglichen Dunkelheiten. Die, die nicht so lange andauern, in denen ich aber, wenn ich drinstecke, trotzdem kein Licht am Ende des Tunnels sehe.

Und dennoch: ich traue dem, wovon Johannes erzählt. Keine noch so große Finsternis kann das Licht ganz zudecken. Ich kann es nicht immer sehen, aber manchmal blitzt etwas von diesem Licht, von Gottes Licht auf. So wie bei Andrea und Christine.

Christines Krankheit ist durch die brennende Kerze nicht weg, aber das Licht von gegenüber, Andreas Licht, das hat die besonders dunklen Tage ein wenig heller gemacht.

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