Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30DEZ2021
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Eric ist erst ein paar Wochen alt und das jüngste Kind meiner besten Freundin. Bei Eric ist mir zum ersten Mal richtig aufgefallen, wie zufrieden Kinder nach dem Stillen sein können. Ich weiß, dass das Stillen manche Mütter echt in Stress bringt, aber bei Eric klappt es. Und wenn er getrunken hat, ist er richtig ruhig und zufrieden.

In der Bibel gibt es ein Gebet einer Frau, die mit Gott eine ganz ähnliche Erfahrung gemacht hat. Sie betet: „wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, so ist meine Seele in mir.“ (Ps 131,2) Ich kann mir gut vorstellen, wie es ist, wenn die Seele ruhig und zufrieden wie ein gestilltes Kind ist. Da schwingt für mich was von „satt und geborgen sein“ und „gehalten werden“ mit. Das verbinde auch ich mit Gott. Aber leider lässt sich dieses Gefühl nicht auf Knopfdruck herstellen.

Das Gebet der Frau steht im Buch der Psalmen. Und dort ist auch der Weg beschrieben, wie man zu einer himmlischen Seelenruhe kommen kann. Zwei Dinge sind hilfreich.

In dem Psalm heißt es: „Mein Herz überhebt sich nicht.“ Der Blick geht aufs Herz und die Sorge, dass es sich zu viel vornimmt. Mit dem Herz meint die Bibel übrigens nicht all das Emotionale, das wir heute damit verbinden. Es geht eher um den Verstand. Mit dem Herz wird nach damaliger Vorstellung gedacht, geplant und geurteilt. Dieses Gedankenkarussell soll für einen Moment angehalten werden, in dem ich mir klar mache: vieles kann ich mit meinem Verstand klären und erfassen, aber egal wie ich mich anstrenge: niemals alles. Daher ist es auch angesagt, mal eine Pause zu machen und mich später wieder darum zu kümmern.

Und ein Zweites kann helfen, dass es innerlich ruhiger wird. Im Psalm heißt es weiter: „Nicht hochmütig blicken meine Augen.“ Da geht es jetzt also um meine Beziehungen - zu mir und zu anderen. Die betende Frau erinnert sich mit dieser Textzeile daran: ich habe Grenzen und ich mache Fehler. Ein hochmütiger Blick ist da nicht angesagt. Aber es gibt auch viel Gutes an mir.

So ein ehrlicher und zugleich liebevoller Blick auf sich selbst, aber auch auf die anderen, kann helfen Abstand zu bekommen und Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

Die eigene Gedanken- und Gefühlswelt nicht in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stellen – darum geht es in dem Psalm und auch in vielen anderen Meditationsformen. Und sie alle wissen, dass die innere Ruhe kein Dauerzustand ist und immer wieder eingeübt werden muss. Das braucht Zeit und Geduld und Übung.

Doch ich selbst habe gemerkt, dass es sich lohnt, dranzubleiben. Die Stille gibt mir Kraft für den Alltag. Und sie ist für mich eine Zeit, in der ich etwas von Gott spüren kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34531
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