SWR2 Wort zum Tag

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20DEZ2021
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Über manche Dinge spricht man nicht… diese Haltung habe ich seit meiner Jugend verinnerlicht. Meine Eltern haben bewusst manche Themen in unserer Kommunikation ausgeklammert. Zum Beispiel Themen wie die psychische Erkrankung meines Onkels oder auch Geldsorgen.

Es scheint ein gesellschaftliches Phänomen zu sein – über manche Themen wird einfach nicht offen gesprochen, über bestimmte Krankheiten, wie zum Beispiel Depressionen oder das Thema Tod.

Ich kann es auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis und nicht zuletzt an mir selbst beobachten. Schwierige Themen spreche ich oft nicht an, weil ich Sorge habe, ich könnte jemanden zur Last mit dem Thema fallen. Oder ich könnte die gute Stimmung kaputt machen, die gerade in einem lockeren Gespräch herrscht. Manche Dinge muss ich auch eine Weile bewusst für mich behalten, um mich zu schützen.

Wie oft habe ich auf die typische Small-Talk-Frage „Wie geht es Dir?“ mit „Gut.“ geantwortet, obwohl es in mir ganz anders ausgesehen hat.

Mir ist das so richtig bewusst geworden, als ich ein Baby verloren habe. Ich habe in der zwölften Schwangerschaftswoche einen Abgang erlebt. Nur ein paar wenige Vertraute wussten von dieser Schwangerschaft. Mir war bewusst, dass die ersten drei Schwangerschaftsmonate eine sehr unsichere Zeit sind, deswegen war ich von Anfang an vorsichtig. Meinen Eltern habe ich zum Beispiel nichts erzählt. Ich wolle nicht, dass meine Eltern zu euphorisch auf ein Enkelkind reagieren, dass es dann am Ende vielleicht nicht geben wird – und in diesem Fall dann auch nicht gegeben hat.

Aber als ich das Kind dann verloren hatte, war ich so traurig und hatte das Bedürfnis, mit ganz vielen Menschen darüber zu sprechen – auch mit meinen Eltern. Ich habe es ihnen erzählt und auf einmal war da ganz viel Raum für emotionsgeladene Gespräche. Ich habe mich getraut, traurig, wütend und zerbrechlich zu sein. Genau das hat mir gutgetan.

Ich hatte Glück. Keine der Personen, denen ich mich anvertraut habe, hat in irgendeiner Form unangemessen reagiert oder mir das Gefühl gegeben, ich belaste sie mit dem Thema. Ganz im Gegenteil – ich habe erfahren, dass meine Geschichte so etwas wie ein Türöffner gewesen ist

So traurig manche Themen sind –es kann richtig befreiend sein, darüber zu sprechen.  Mir hat geholfen zu hören, dass auch andere Verluste erlebt haben. Und es hat gut getan, mit Menschen zu sprechen und dabei zu erfahren, dass ich in meiner Ohnmacht und Trauer nicht allein bin.

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