SWR2 Wort zum Tag

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07DEZ2021
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Dass Advent „Ankunft“ heißt, haben viele wahrscheinlich schon im Religionsunterricht gehört. Denn alle Jahre wieder kommt das Christuskind und die Weihnachtszeit und die Christen feiern die Ankunft Gottes in der Welt. Verbunden mit den bekannten Dekorationen und wirtschaftlichen Interessen – dem sogenannten Weihnachtsgeschäft. Wie aber soll da noch die Bedeutung dieses Advents, dieser Ankunft im Bewusstsein bleiben oder überhaupt nur aufscheinen?

Ich will es mal mit einem Vergleich der Religionen versuchen: Blicken wir z.B. auf die traditionellen Religionen weltweit – also dem was man früher „Heidentum“ nannte: ihnen ist die Idee fremd, dass Gott direkt und unvermittelt in die Welt kommt. Aber auch in den großen Glaubensrichtungen, die wir die „Weltreligionen“ nennen, ist die Vorstellung von Gottes Wirken in der Welt immer vermittelt. D.h. es sind andere Wesen, Gottheiten, Geister oder Menschen, die die Botschaft Gottes oder seinen Segen in die Welt bringen. Der Glaube an Jesus von Nazareth, dessen Ankunft wir jetzt gedenken, er beinhaltet die „Inkarnation“. Wörtlich also die „Einfleischung“ Gottes in den Körper eines Menschen. Dies ist ein revolutionärer Glaube, weil er Gott so direkt bei uns sieht. Im Stall von Bethlehem ist dann das passiert, was Papst Franziskus auch von seiner Kirche möchte: Jesus hat den Geruch der Schafe angekommen, vielleicht war es sogar eher ein Gestank.

Menschsein ist leider viel zu oft geprägt von Leid, Brutalität und Hoffnungslosigkeit. Die Corona-Krise hat vieles noch verschlimmert: seelisches Leid, häusliche Gewalt, Marginalisierung und der Teufelskreis der Armut. „Homo homini lupus“ – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf sagt eine alte lateinische Sentenz.

Vielleicht ist das der Sinn von Weihnachten: Wenn wir verzweifelt sind, wenn wir nicht mehr an das Gute glauben können, wenn wir in der Gosse liegen – dann reicht es nicht mehr, dass die Zuwendung Gottes durch die Vermittlung anderer Wesen kommt, selbst wenn es Engel oder Heilige wären. Dann muss Gott selbst ran, um die Verzweiflung zu besiegen und zu sagen: Du gequälter Mensch bist mir so wichtig, dass ich mich selbst in deine Gestalt und in deine Lebenswelt hineingebe.

Ich wünsche allen einen gesegneten Advent und eine Ahnung von der Menschwerdung, die Weihnachten bedeutet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34408
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