Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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04DEZ2021
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„Was für eine Idylle!“ Das denke ich, wenn ich die wunderschönen Figuren und liebevoll gestalteten Landschaften sehe. Manchmal genieße ich diese heile Welt, nach der schöne Weihnachtskrippen auf den ersten Blick aussehen. Aber wenn ich länger davor stehe, merke ich, dass da etwas fehlt. Im Stall muss es gestunken haben. Maria hat ihr erstes Kind ohne Hebamme im Dreck bekommen. Das kann nicht leicht gewesen sein. Und auch das, was Maria und Josef vor der Geburt erlebt haben, muss alles andere als idyllisch gewesen sein.

Zuerst wird Marias Leben auf den Kopf gestellt. Sie ist verlobt und wird schwanger, aber nicht von Josef. Kaum hat sie das bemerkt, trifft sie einen Engel, und der erklärt ihr, dass ihr Baby vom Heiligen Geist ist. Maria lässt sich auf diese Geschichte mit Gott ein. Aber trotzdem steht sie erst mal nahe am Abgrund: Frauen wie sie galten damals als Ehebrecherin, und da drohten schlimme Repressalien. Und bestimmt hatte sie keine Ahnung, wie sie das alles Josef erklären sollte. Wird er diese verrückte Geschichte glauben? Das alles klingt nicht nach Idylle.

Und wie ist es bei Josef? Auch sein Leben wird auf den Kopf gestellt. Er muss erstmal davon ausgehen, dass Maria ihm untreu geworden ist. Soll er sie trotzdem heiraten? Vielleicht hat Josef das überlegt, dabei aber auch gespürt, dass er die Sache mit dem Kind nicht ein Leben lang runterschlucken kann. Also doch trennen. In diesem ganzen Hin und Her erscheint auch ihm ein Engel und erklärt alles. Irgendwie gelingt es Josef, dem Engel zu vertrauen. Er gibt der kleinen Familie eine Chance.

Josef und Maria schaffen es, einander zu vertrauen; sie setzen auf ihre Geschichte mit Gott. Dazu braucht es eine Menge Mut, und den haben sie. Die beiden werden in dem ganz und gar nicht idyllischen Schlammassel zur Heiligen Familie.

Und das ist für mich auch heute noch so: wenn zwei aneinander dran bleiben und dabei auch noch offen sind für das, was der Himmel ihnen schenkt, dann kann mitten im Schlammassel etwas Heiliges passieren. Dass der Himmel irgendwie doch aufgeht, gerade wenn alles kaputt scheint. Das heißt nicht, dass Zusammenbleiben immer die beste Lösung ist. Manchmal geht das nicht mehr, weil jeder sich selbst auch schützen muss. Aber wenn sich zwei auch in der schwierigsten Zeit noch zuhören können und der eine gelten lassen kann, wie die andere sich alles erklärt, dann geht da ein bisschen der Himmel auf.

In solchen Momenten wird Gott geboren. Es ist dann zwar nicht idyllisch, aber es ist Weihnachten.

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