Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Nein. Das darf es nicht geben in unserem Land. Da müssen wir uns wehren. Richtig in Fahrt ist er gekommen, mein sonst so stiller Nachbar. Gerade hatten wir uns über die Angriffe auf Wohnungen von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aufgeregt.
Gott nimmt die Fremden in Schutz. Davon ist in der Bibel oft die Rede. An einer Stelle unglaublich deutlich, im 5. Buch Mose:
Ihr sollt die Fremden lieben, sagt Gott. Und als Begründung: weil ich sie liebe.

Nun ist lieben ein großes Wort oder wie ein Bekannter aus Norddeutschland sagen würde: Das sind große Schuhe, die ich mir da anziehen soll.
Packen wir das? Oder überlassen wir das einigen ganz guten Menschen, die wir lieber nicht sein wollen?

Wir könnten ja mit dem Sandkorn anfangen und nicht mit dem Berg…
Das könnte dann heißen: Versuch doch erst mal, den Fremden zu verstehen, den türkischen Kollegen, die Familie aus Sri Lanka.
Hast du eine Ahnung, wie sie leben? Weißt du, was ihnen wichtig ist? Kennst du dich aus mit ihrem Glauben?
Ich kenne eine Familie. Sie haben zwei erwachsene Kinder. Die Tochter arbeitet in einem Steuerbüro. Der Sohn macht eine Lehre bei einer Heizungsfirma. Freitags sehe ich den Vater zum Bahnhof gehen. Besser gekleidet als sonst. Er fährt zur Moschee.
Es ist nicht leicht, ins Gespräch zu kommen. Nicht nur wegen der Sprache, aber auch wegen der Sprache. Wenn ich es versuche, spüre ich, wie sehr es verbindet, wenn Menschen eine gemeinsame Sprache sprechen. Ich merke aber auch, wie sehr es trennt, wenn wir keine gemeinsame Sprache sprechen. Ein Vorteil wäre es, wenn wir zum Kennenlernen noch mehr Orte der Begegnung schaffen könnten, wie das Sommerfest im Kindergarten, wo die Oma von Jussuf die besten Yuftas bäckt – das sind Pfannkuchen, mit Gemüse und Hackfleisch gefüllt. Und das Straßenfest, wo eine Jugendgruppe zusammen mit Flüchtlingen aus Afrika trommelt. Oder wenn sprachbegeisterte Menschen in unserem Land ein paar Brocken Türkisch lernen oder Suaheli? Damit wir wenigstens Worte haben, um guten Tag zu sagen und zu fragen: Wie geht es Ihnen? Für einen freundlichen Anfang, um das Gespräch in Gang zu bringen.
Wäre das nicht eine ganz praktische lebensnahe Weise, die Fremden zu lieben? Oder sagen wir zuerst einmal kennenzulernen. Christian Morgenstern sagt: Einander kennenlernen heißt: lernen, wie fremd man einander ist.
Aber dabei muss es nicht bleiben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3431
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