SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

17NOV2021
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„Der ist dir doch viel zu groß“ – das sage ich manchmal zu meiner Hündin. Wenn wir gerade im Wald unterwegs sind und sie dann voller Stolz ein Zwei-Meter-Stöckchen anschleppt. Sie schwankt dann bedenklich hin und her und stößt natürlich überall an. Aber hey – sie ist glücklich. Neulich hat mich das zum Nachdenken gebracht. Denn manchmal ist es doch bei mir genauso. Dass ich was haben oder stemmen will, was mir viel zu groß ist. Ein Job. Ein neues Projekt. Oder einen Anspruch an mich selbst, weil ich das eben können will.

Wenn das Stöckchen meiner Hündin zu groß ist, dann probiert sie es so lange, bis er entweder bricht oder sich so verkeilt, dass es nicht weitergeht. Manchmal tut sie sich dabei auch weh. Und ich glaube, dass das bei mir auch so sein kann.

Heute ist Buß- und Bettag. Der Name klingt ein bisschen negativ.  Nach Bußgeld zahlen. Aber es geht gar nicht um eine Strafe für irgendwas. Sondern es geht an diesem Tag darum, dass ich mir einen Moment Zeit nehmen soll. Für mich. Um selber einen Blick auf mein Leben zu werfen. Was ist mir denn wirklich wichtig in meinem Leben? Was für Stöckchen trage ich denn da so mit mir rum? Und welche sind mir auch viel zu groß? Bringt mich vielleicht auch irgendwas in Schieflage? Und wo stecke ich denn vielleicht schon fest?

Das hat auch Jesus immer Mal wieder gemacht. Wenn es ihm zu viel geworden ist, dann hat er sich rausgenommen. Manchmal ist er auf einen Berg gestiegen.  Hat die Perspektive gewechselt. Von oben hat man einfach den besseren Überblick. Sieht Sachen, die man von unten nie sehen würde.

So in meinem Alltag hat das meist keinen Platz. Da muss es einfach laufen. Kinder versorgen und durch die Gegend fahren. Haushalt schaukeln, einkaufen und zwischendurch natürlich arbeiten. So eine ähnliche Liste kann vermutlich jede und jeder für sich füllen. Und deshalb ist es gut, dass es sowas wie den Buß- und Bettag gibt. Ein Tag an dem ich mir Zeit nehmen kann, einen Blick auf mein Leben zu werfen. Ob im Gottesdienst, zu Hause oder beim Spazieren gehen. Und vielleicht lass ich die Zwei-Meter-Stöckchen dann doch fallen oder trage ein kleineres nach Hause.

Denn auch meine Hündin rennt und springt viel entspannter und freier durch die Gegend, wenn das Stöckchen ein bisschen kleiner ist.

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