SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

10NOV2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In diesen Tagen sind sie wieder zu sehen: die Martinsumzüge in vielen Orten im Land. Bei uns im Rheinland sind sie sehr beliebt. Die Geschichte von Sankt Martin ist vielen Menschen, besonders den Kindern noch sehr vertraut. Martin ist ein Offizier in der römischen Armee.

Eines Abends kommt er zurück in sein Lager und sieht einen Bettler, der keine Kleidung mehr hat und wohl erfrieren wird. Er hält kurzerhand sein Pferd an, bleibt stehen und teilt seinen Mantel mit dem Bettler. Das ist die bekannteste Geschichte.

Ich glaube, in diesem Jahr können wir hier in Rheinland-Pfalz und auch in Nordrhein-Westfalen das Heiligenlexikon locker um viele Menschen erweitern.

Ich wohne nahe am Ahrtal, wo es am 14. Juli die große Flutkatastrophe gab. Viele Menschen  waren in Lebensgefahr und viele Menschen sind in dieser Nacht  über ihre Grenzen gegangen, um anderen zu helfen.

Viele dieser Geschichten sind mittlerweile durch die Medien gegangen, aber es gibt noch so viele mehr. Jedes Mal, wenn ich als Seelsorgerin im Ahrtal bin, höre ich neue Erfahrungen und Erlebnisse.

Was mich beeindruckt und berührt: es wird erzählt, wie schnell und zerstörerisch die Flut kam, aber damit hört die Erzählung nie auf. Dann kommen die Erfahrungen von Hilfe und Lebensrettung. Da wird erzählt, dass Menschen gemeinsam von anderen aus den Fluten gezogen wurden, weil die eigene Kraft nicht mehr reichte.

Auch die unglaubliche Hilfsbereitschaft im Anschluss an dieses Unglück zeigt, dass es heute viele Heilige gibt: Menschen, die ihren gesamten Urlaub nehmen und auf der Stelle losziehen, um anderen zu helfen. „Die schnelle Hilfe hat uns am Leben gehalten, die Helfer haben uns aus der Schockstarre geholt“ – das höre ich immer wieder.

Bei der mittäglichen Essensausgabe in den betroffenen Orten treffe ich viele Helfer. Ich begegne dort auch einer Familie, die statt in Urlaub zu fahren,  mit ihrem Wohnwagen an die Ahr gekommen ist: die Frau bietet kostenlos Physioanwendungen und Massagen an, der Mann hilft beim Entkernen der Häuser. Eine Woche lang haben sie sich dafür Zeit genommen, dann geht es wieder zurück nach Dresden.

Jeder im Ahrtal kann unzählige Beispiele von Not und Hilfe ergänzen. Für mich sind das „Heiligengeschichten“. Sie haben mit „Heilen“ zu tun, mit Anpacken und Helfen, mit Unterstützen und Trösten, mit Hilfe für Leib und Seele.

Moderne Heilige – wer welche kennenlernen will, kann das zum Beispiel im Ahrtal tun!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34260
weiterlesen...