Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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02NOV2021
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Die Mutter von Larissa hat Depressionen und liegt manchmal den ganzen Tag im Bett. Aber darüber redet Larissa lieber nicht. Frau Maier wird von ihrem Mann geschlagen, wenn er getrunken hat. Außer ihr und ihren Kindern weiß das aber keiner. Max ist 13. Er sitzt nur noch am Computer. Seine Eltern wissen sich nicht zu helfen und fühlen sich schuldig. Deshalb unternehmen sie nichts.

Oft ist nicht sichtbar, was hinter verschlossenen Haustüren alles passiert. Aber es passiert. Daran besteht kein Zweifel. Familienbeziehungen sind gnadenlos ehrlich. Ich weiß, wovon ich rede. Als ich Kind war, ist bei meiner Mutter Diabetes diagnostiziert worden. Wie das für mich war, hat damals keiner gefragt. Dass meine Mutter mit drei kleinen Kindern überfordert war, hat kaum jemand interessiert. Heute als Lehrerin erlebe ich die andere Seite. Ich sehe oft wenn Kinder und Eltern offensichtlich überfordert und in Not sind. Wenn sie sich anvertrauen, kann ich versuchen, mit ihnen Lösungen zu finden.

Das Thema ist nicht neu. Schon in der Bibel finden sich ganz konkrete Anweisungen für den Umgang in Familien. Auf sogenannten Haustafeln. Dort werden z.B. Väter aufgefordert, ihre Kinder nicht einzuschüchtern, damit sie nicht mutlos werden. Diese Haustafeln hatten die Aufgabe, Menschen dabei zu helfen, achtsam und respektvoll miteinander zu leben.[1] Einander verzeihen zu lernen, sich mit Schwächen aushalten zu können. Was damals hilfreich war, können wir zum Teil übernehmen. Manchmal reichen konkreten Anweisungen allerdings nicht aus. Dafür gibt es heute Beratungsstellen, die Paaren, Eltern und Kindern helfen, ihr gemeinsames Leben zu meistern. Trainingsangebote, bei denen man üben kann hilfreich miteinander zu sprechen.

Immer gilt: Menschen brauchen Mut, um zu sagen, dass Sie Hilfe brauchen. Das ist nicht leicht. Ich kenne selbst die Angst, versagt zu haben und mich deshalb schuldig zu fühlen. Vor allem als junge Frau haben mich Angst und Schuldgefühle so gelähmt, dass ich diesem Teufelskreis kaum entkommen bin. Dann hat auch geholfen, wenn mich andere ermutigt haben.

Heute weiß ich: wer diesem Teufelskreis entkommen will, braucht viel Mut. Manchmal hilft auch, wenn Menschen von außerhalb mutig sind. Wenn sie offen sagen, was sie sehen. Und was vielleicht helfen könnte.

 

[1] Schweizer, Eduard: EKK, Der Brief an die Kolosser. S. 159-164

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34203
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