SWR3 Gedanken

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26OKT2021
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„Alles beginnt mit der Sehnsucht“ – hat die Schriftstellerin Nelly Sachs geschrieben. Wirklich alles? Ich glaub schon. Denn wer kennt es nicht, dieses innige Sehnen, dieses liebende Verlangen. Sehnsucht kann süß sein, wenn ihre Erfüllung abzusehen ist. Sie kann bitter werden, wenn sie nie gestillt wird, die Sehnsucht nach Liebe vor allem. Sehnsucht kann frei machen, wenn ich sie abgebildet sehe in einem Flugzeug am blauen Himmel. Und bin ich am Ziel meiner Träume angelangt, dann kommt sie  erstaunlicherweise immer wieder. Im Salzgeruch des Meeres, der daran erinnert woher wir kommen. Oder im Rhythmus der Wellen, die Sehnsucht nach Ewigkeit.
Alles beginnt mit der Sehnsucht. Vielleicht ist das Schreiben für die Schriftsteller ja auch eine Art mit der Sehnsucht umzugehen, sie damit zu stillen. Die Sehnsucht treibt die Menschen an, sie bringt sie zu Höchstleistungen. Auf alle 8000er zu steigen, den Südpol und die Wüste Gobi zu Fuß zu durchqueren, wie Reinhold Messner. Die Sehnsucht treibt die Menschen auch um. Die tiefe Sehnsucht nach Frieden lässt die Menschen immer wieder aufeinander zugehen, selbst nach schlimmsten Gräueltaten. Und die Sehnsucht nach Gerechtigkeit treibt sie dazu an, sich mit den Umständen nie zufrieden zu geben, die Welt und sich selbst zu verbessern, sie schöner und lebenswerter zu machen. Und selbst wenn alle Arbeit getan scheint, alle Wünsche verwirklicht und alle Träume erfüllt, bleibt immer noch ein unstillbarer Rest an Sehnsucht. Wie eine unsichtbare Nabelschnur, die uns mit der Welt verbindet, in der es keine Sehnsucht mehr gibt…

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