SWR2 Wort zum Tag

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16OKT2021
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„Gott sieht „elles“ außer Dallas“. Der Satz ist mir aus meiner Kindheit hängengeblieben. Es geht dabei um die Fernsehserie Dallas, in der J.R. Ewing seine intriganten Spielchen treibt. Dallas war sehr erfolgreich. Allerdings haben viele die Serie auch ganz und gar abgelehnt. Aus diesem Umfeld stammt der Satz: „Gott sieht alles außer Dallas“. Er meint: Die Serie ist so schlecht, dass Gott sie nicht sehen will. Er ist zwar allwissend und sieht alles. Aber wegen Dallas beschränkt er sich in seiner Göttlichkeit, um es nicht sehen zu müssen.

Ich habe die Serie nie angeschaut, halte mich also mit einem Urteil zurück, aber ich finde folgenden Gedanken gut: Gott schaut sich nicht alles an. Das beruhigt mich, denn die Vorstellung eines Gottes, der alles von mir weiß und alles sieht, was ich tue, ist für mich schon immer bedrohlich gewesen. Denn wenn das so ist, dann gibt es für mich keine Privatsphäre, nichts Intimes mehr. Alles bleibt unverborgen und ich habe keine Geheimnisse. Und das will ich nicht. Ich weiß, dass es für viele Menschen etwas Befreiendes hat, wenn man sich aus seinem Glauben heraus vor Gott ganz zeigen kann. Aber ich will das nicht. Ich will nicht, dass irgendjemand alles über mich weiß. Der Gedanke bedrängt mich vielmehr. Ich brauche meinen geschützten Raum.

Der alberne Satz über die Fernsehserie Dallas gibt mir eine Idee, die mir da raushilft. Mag sein, dass Gott in unserer Vorstellung alles weiß und alles sieht. Aber vielleicht interessiert er sich nicht für alles. Vielleicht verzichtet er nicht nur freiwillig auf die Fernsehserie Dallas, sondern will auch vieles, was in meinem Kopf und in meinem Leben stattfindet, gar nicht wissen. Wenn ich mich an ihn wende, dann hört er mir zu, wenn mich etwas wirklich bedrängt, das nimmt er ernst. Aber viele meiner Gedanken und Gefühle, die ja oft nur Momentaufnahmen sind, Launen meines Wesens, die berühren ihn nicht. Auch nicht alles, was ich sage oder tue. Er nimmt mich in einem positiven Sinne nicht so wichtig. Denn manchmal nehme ich mich selbst bestimmt etwas zu  wichtig. Weil er mich von außen als Ganzes sehen kann und weiß, wie ich ticke. Er hat einen Überblick über mich. Da muss er nicht alle Launen ernst nehmen.

Natürlich gibt es Dinge, da wünsche ich mir, dass er mehr hinschauen würde. Aber: Die haben nicht unbedingt etwas mit mir zu tun.

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