SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

10OKT2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Peter Annweiler trifft Michael Borger, Referent für „Globales Lernen“

Teil 1: Über den eigenen Kirchturm hinaus schauen

Der eigene Kirchturmhorizont reicht ihm nicht. Als Referent für „Globales Lernen“ ist die ganze Welt sein Feld. Wenn nicht gerade Pandemie ist, ist er am liebsten unterwegs und steckt andere mit seiner Leidenschaft an.

Das Feuer, das ich in mir spüre, und was es mir tatsächlich leicht macht, mich schon lange Jahre für dieses Thema einzusetzen, sind meine Begegnungen mit Menschen aus aller Welt. Ich habe verstanden: Wir sind Bewohner einer Welt.

Da brennt einer für seine Sache. Und wenn ich ihm zuhöre, frage ich mich: Wie schafft der Mann das: Zuversichtlich zu bleiben für die Anliegen der „einen“ Welt? – Das ist ein hoher Anspruch und ich kenne von mir: Es ist mir manchmal auch zu viel.  Zwar weiß ich: Es ist nicht egal, was ich esse, was ich anziehe und wie ich mich fortbewege. All das hat einen Einfluss darauf, wie es der Welt im Ganzen geht, aber ständig will ich eben auch nicht damit konfrontiert sein.

Vielleicht erzählt Michael Borger mir ja genau deshalb mehr von der Lust als von der Last seines Anspruchs.

Wenn wir Kontakte haben mit Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, wenn wir die kennen lernen, dann sind uns deren Fragen, deren Probleme, deren Anlässe zur Freude nicht mehr egal. Da wird es ganz persönlich – und da ist auch die Motivation da, sich zu engagieren.

Begegnungen als Herzschlag globalen Lernens - ich frage nach, wie das konkret aussieht.

Ein Projekt fand ich sehr erfolgreich: Das ist ne Partnerschaft zwischen Jugendlichen aus der Südwestpfalz und Jugendlichen aus dem Township im Port Elizabeth . Da haben wir jedes Jahr uns getroffen, einmal bei uns in der Pfalz, einmal in Südafrika – und

haben dort im Township Erste Hilfe Kurse gemacht, Aidsprohylaxe gemacht. Da haben wir festgestellt: Das gibt es nicht. Und wenn die südafrikanischen Jugendlichen bei uns waren, dann haben die drei Wochen in einem Waldkindergarten mitgearbeitet bei Landau – das war einer der Höhepunkte im Jahr der Kinder, weil sie Kontakte hatten in alle Welt.

Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. In den Unterschieden das Verbindende wahrzunehmen – das gelingt nur auf der Basis eines guten Fundaments.

Wir sind alle eins. Wir gehören alle zusammen. Und meine Geschwister in anderen Ländern der Welt sind mir nicht egal, wenn ich sie kennen lerne.

Er sagt tatsächlich „Geschwister“ und nicht „Mitmenschen“ oder „Partner“. Ein starkes Bild, finde ich: Dass die Christenfamilie eine besondere Verantwortung für das gemeinsame Leben aller auf unserem Planeten hat. Ein Bewusstsein dafür kann gar nicht früh genug geweckt werden, meint Michael Borger  – und deshalb ist für ihn das globale Lernen mit Kindern und Jugendlichen  eines der wichtigsten Arbeitsfelder der Kirche. Davon erzähle ich Ihnen gleich nach der Musik.

Teil 2: Früh im Leben anfangen

Das globale Lernen hat es Michael Borger angetan. Er organisiert für das Jugendpfarramt der Pfalz Reisen und Freizeiten und hat dabei besonders junge Menschen im Blick. Ihnen will der 61jährige sein Engagement für die „eine Welt“ nahe bringen.

Es ist eine wunderbare Aufgabe, Kinder und Jugendliche darauf vorzubereiten, dass sie die Kraft für nachhaltigen Lebensstil haben, dass sie sich für eine humane, zukunftsfähige Gesellschaft einsetzen. Dass sie Visionen für ne gerechte Welt entwickeln, dass sie an ihre Selbstwirksamkeit glauben und sich nicht unterkriegen lassen.

„Wie?“  frage ich ihn. Wie gelingt es, diese großen Ziele umzusetzen? - Und er erzählt mir, dass er ein Spiel entwickelt hat: „Weltivity“.  Das geht ein bisschen wie Monopoly, aber doch ganz anders. Denn es zeigt spielerisch, was es etwa schon für einen Unterschied macht, ob ich in Deutschland oder in Palästina geboren bin.

Ein moralischer Zeigefinger – den kann man da nicht gebrauchen. Und ich glaub, die Art und Weise, wie wir mit Kindern arbeiten, ist da der Schlüssel.

Weil es um ihre eigene Zukunft geht – deshalb sieht Michael Borger bei Kindern und Jugendlichen ein großes Potenzial für Veränderungen. Der Klimawandel – der betrifft Menschen um so krasser je jünger sie sind.

Dann sind mir manchmal die Tränen gekommen ob der Wahrhaftigkeit, mit der Kinder von 8-12 Jahren sich schon mit Weltthemen auseinander setzen - und welche ein großartiges Gerechtigkeitsempfingen sie haben. Und wie sie Erwachsenen den Spiegel vorhalten, wie ein aufrichtiges, ein nachhaltiges Leben sein könnte.

Michael Borger engagiert sich schon seit seiner Kindheit in der evangelischen Jugend. Die Erfahrungen dort haben sein Leben verändert und ihm neue Horizonte eröffnet.

Ich bin ja ein Kind der Evangelischen Jugend. Von Kindergruppen und Kindergottesdienst und ehrenamtliches Freizeitleiten habe ich das schon mein ganzes Leben gemacht. Ich hab‘ ne Ausbildung gemacht als Zerspanungsmechaniker und bin dann den Weg gegangen zum Sozialpädagogen mit dem Gedanken, mein Hobby zum Beruf zu machen. Das war schon eine Verheißung – ich hätte mich aber nicht getraut ohne meine Erfahrungen bei der evangelischen Jugend.

Und das will er weitergeben. Weil er sicher ist: je früher Menschen lernen, dass sie Teil der einen Welt sind desto nachhaltiger ist die Erkenntnis. So hat er es selbst  erlebt:

Ich hab das von Kindesbeinen an gelernt, dass es ein inneres Anliegen ist, dass Kirche sich für Gerechtigkeit einsetzt und  für Frieden – und auch für diese wunderbare Natur, in die wir hineingeboren worden sind.

Die Chance, den Klimawandel zu bremsen, wird größer, wenn wir aus Einsicht handeln. Michael Borger hat mir mit seinem Engagement für Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit gezeigt: Wir können nicht früh genug anfangen, solche Einsichten durch „Globales Lernen“ wachsen zu lassen. 

Informationen zum Spiel „Weltivity“:

https://www.ejpfalz.de/fileadmin/user_upload/LJPA/Globales_Lernen/Spielanleitung_Weltivity.pdf

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34022
weiterlesen...