Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08SEP2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Et hätt noch immer jot jejange, on dä leeve Jott is en Kölsche.“ So kann man das Lebensgefühl, die Lebenseinstellung des Kölners kurz zusammenfassen. Grundsätzlicher Optimismus und – wenn es denn eine höhere Macht gibt – dann ist sie natürlich auf der Seite der Kölner. „Dä leeve Jott“ ist einer von Ihnen. So sieht sich der Rheinländer gerne selbst.

Die Ahr liegt nicht weit von Köln weg. Und die meisten Bewohner hier verstehen sich auch als Rheinländer. Kein Wunder, gehörte das Ahrtal doch Jahrhunderte lang zu Kurköln. Der Dialekt, den man hier spricht, hat auch einen starken Kölschen Einschlag und Karneval feiert man an der kleinen Ahr genauso intensiv wie im großen Köln.

„Et hätt noch immer jot jejange“, ich weiß nicht, ob die Menschen an der Ahr diesen Satz im Moment einfach so unterschreiben können. Denn es ist verdammt schlecht gegangen. In einer Nacht im Juli wurde die gemütlich dahin plätschernde Ahr zu einem großen Strom. Das malerische Ahrtal wurde innerhalb weniger Stunden in eine Kraterlandschaft verwandelt und der Fluss hat weit über hundert Menschen in den Tod gerissen. Nein, et hätt nit jot jejange. Und wat is mit dem leeve Jott? Ist der kein Kölner mehr, kein Rheinländer, keiner aus dem Ahrtal? Hat er sich aus dem Staub gemacht? Ich kann jeden an der Ahr verstehen, der sich von Gott verlassen fühlt.

Und doch, ich glaube: Gott ist gerade jetzt einer aus dem Ahrtal. Er stellt sich immer auf die Seite der Menschen, denen es dreckig geht. Wie eine Naturkatastrophe wie die an der Ahr mit dem Bild vom allmächtigen und doch guten Gott überein gebracht werden kann, weiß ich nicht. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, Gott ist nicht nur allmächtig, sondern oft auch ohnmächtig. Aber egal ob allmächtig oder ohnmächtig, er ist immer auf der Seite der Opfer. „Dä leeve Jott“ ist gerade jetzt einer von der Ahr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33855
weiterlesen...