Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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03SEP2021
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Immer wieder falle ich darauf herein: In den letzten Urlaubstagen kaufe ich mir ein Souvenir,  um etwas von der ganz besonderen Stimmung eines Ortes mit in meinen Alltag zu nehmen. Zuhause erweisen sich diese Gegenstände dann aber eher als Fremdkörper. Das weit schwingende Kleid, das beim Strandspaziergang echt lässig gewirkt hat, sieht zuhause im Freibad irgendwie übertrieben aus. Das bunt gekachelte Namensschild wird doch nicht unter der nüchternen schwarzen Hausnummer angebracht. Und der blinkende Eiffelturm, der mir so kitschig wie cool vorgekommen ist, verschwindet nach ein paar Tagen in irgendeiner Schublade. Ich habe es noch nicht gefunden, das Souvenir, das meinen Alltag auf Dauer bereichern könnte.

Von einem richtig guten Souvenir wird in einer Geschichte aus der Bibel erzählt. Der Mann, der es gekauft hat, ist von Äthiopien nach Jerusalem gereist. Für die damalige Zeit eine beachtliche Strecke. Die Stadt mit ihren fremden Geräuschen und Gerüchen wird wohl Eindruck auf ihn gemacht haben, und wie viele Urlauber hat auch er den Tempel besucht. Anders als in anderen Städten gibt es dort aber keine Andachtsbilder oder Götterstatuen zu kaufen, denn der Gott, der hier verehrt wird, ist unsichtbar und hat verboten, dass Menschen sich ein Bild von ihm machen. So entscheidet sich der Mann schließlich für den Kauf einer kostbaren Schriftrolle, um sich zuhause weiter mit diesem besonderen Gott zu beschäftigen. Aber schon auf der Rückfahrt öffnet er sie voller Neugier und beginnt mit der Lektüre. Nach wenigen Sätzen muss er allerdings enttäuscht feststellen, dass er kein einziges Wort von davon versteht. Und er ist von seinem Souvenir genau so frustriert wie ich von meinen.

Dann aber wendet sich das Blatt: Er hört nämlich eine Stimme, die ihn fragt: „Verstehst du auch, was du da liest?“ Überrascht blickt er auf und sieht neben seinem Wagen einen unbekannten Mann hergehen, der anscheinend genau weiß, was er jetzt braucht. Die beiden kommen ins Gespräch, der Unbekannte steigt ein und gemeinsam lesen und entdecken sie nun, was in den zuvor toten Buchstaben alles steckt. So entsteht ein lebendiger Austausch. Der Äthiopier ist begeistert, und als der Fremde schon längst wieder ausgestiegen ist, heißt es von ihm: Er zog seine Straße fröhlich.

Was für ein schönes Souvenir: Ein Wort, das mich berührt, ein Mensch der mich versteht, eine Begegnung, die mich meine Straße fröhlich ziehen lässt!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33821
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