Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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01SEP2021
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Meike Winnemuth hat das große Los gezogen. Im Jahr 2010 hat sie in der Sendung „Wer wird Millionär?“ eine halbe Million Euro gewonnen. Und sie muss nicht lange überlegen, was sie mit diesem Geld anfangen will: „Ein Jahr lang raus aus Deutschland, und jeden Monat in einer anderen Stadt wohnen. Zwölf Monate in zwölf Städten, die ich mir immer schon mal angucken wollte.“ Das klingt nach einem tollen Abenteuer! Andererseits weiß man auf Reisen nie so genau, welche Schwierigkeiten einen erwarten.

Die Journalistin hat ihre Idee in die Tat umgesetzt und sie hat ein Buch über diese einmalige Reise geschrieben. Eine meiner Lieblingsgeschichten spielt in Shanghai: Meike wagt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa 30km aus dem Zentrum hinaus, um einen botanischen Garten zu besichtigen. Doch kaum ist sie aus dem Bus ausgestiegen, verliert sie in der fremden Umgebung die Orientierung. Sie schreibt:  „Ich bin irgendwo im Nirgendwo an einer schwach befahrenen Straße. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich eigentlich bin und wie ich wieder wegkomme. Ich habe keinen Handyempfang und keine Landkarte. In zwei, drei Stunden wird es dunkel. Ich spreche kein Wort Mandarin und 99,9% aller Chinesen sprechen kein Wort Englisch. Und jetzt?“

Allein in einer riesigen, fremden Stadt. Ohne Orientierung, ohne Sprachkenntnisse. Wäre ich in diese Situation geraten, ich wäre bestimmt in Panik geraten und hätte mich in „hätte, hätte Fahrradkette“-Gedanken gewunden. Meike Winnemuth macht es anders und ist mir darin zum Vorbild geworden. Sie sagt sich: „Irgendwann, liebe Meike, wirst du wieder in deinem Zimmer sitzen und auf dich in dieser Situation zurück schauen. Ich weiß im Augenblick zwar noch nicht, wie und wann, aber es wird einen Moment geben, in dem die jetzige Ausweglosigkeit der Vergangenheit angehören wird. Eine blöde Situation ist immer nur ein Zwischenschritt. Es wird gut gegangen sein. Eines Tages wird es gut gegangen sein.“

Mir hat diese gedankliche Übung seither schon in vielen verzwickten Situationen geholfen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Der Versuch, von der Zukunft aus auf eine schwierige Lage in der Gegenwart zurückzublicken, hat mich übrigens auch durch lange Pandemiewochen gebracht. Es wird gut gegangen sein. Eines Tages wird es gut gegangen sein!

Probieren Sie so eine Gedankenreise in die Zukunft doch auch einmal aus, wenn Sie das nächste Mal nicht weiterwissen. Es lohnt auf jeden Fall einen Versuch!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33819
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