SWR2 Wort zum Tag

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04SEP2021
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Es ist Sonntagnachmittag. Ich sortiere Legosteine vom Kinderzimmerboden in verschiedene Kisten. Unter der Woche hat die Zeit mal wieder nicht gereicht, für Ordnung zu sorgen. Jetzt ist das Chaos groß und muss endlich weg. Alleine schaffen es die Kinder nicht, also helfe ich ihnen, besser gesagt: ich räume auf und versuche sie zu motivieren, dass sie mir dabei helfen. Leider mit mäßigem Erfolg. Dabei fällt mir ein, dass wenn ich hier fertig bin, ich unbedingt noch zwei Mails schreiben und ein paar Unterlagen sortieren sollte. Die nächste Woche ist wieder so voll, dass auch das ansonsten untererledigt bleiben würde.

In diesem Moment muss ich an meine jüdischen Bekannten aus unserem „interreligiösen Gesprächskreis“ denken. Ihnen würde es nicht einfallen, an ihrem Ruhetag, dem Schabbat, Kinderzimmer aufzuräumen und Bürokram zu erledigen.

Für sie ist der Schabbat „heilig“. Wenn wir als Gruppe eine gemeinsame Aktion planen, dann ist klar, dass dafür die Zeit des Schabbats von Freitagabend bis Samstagabend nicht in Frage kommt. Der Schabbat ist für sie ein Ruhetag, an dem jede Form von Arbeit verboten ist, damit der Mensch sich von den Anstrengungen der Woche erholen kann. Der Schabbat ist dazu da, sich losgelöst von den Zwängen des Arbeitsalltags mit geistigen Dingen zu beschäftigen, die Tora zu studieren, aber auch um Zeit mit der Familie zu verbringen und den Zusammenhalt zu stärken.

Für mich ist der Sonntag mein Ruhetag oder sollte es zumindest sein. Denn ich merke, dass ich hier nachlässig bin.

Jesus sagt: „Der Schabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Schabbat.“ Ich wende dieses Wort für meine Sonntage an und nutze sie oftmals auch dazu, Dinge zu erledigen, die ich innerhalb der Woche nicht geschafft habe. Ich mache das, weil ich in diesen Momenten glaube, dass es besser ist, die Dinge jetzt zu tun, auch wenn Sonntag ist. Einfach, weil sie irgendwann getan werden müssen und ich sonst keine Zeit finde.

Das ist praktisch, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auch wirklich gut ist. Ich mag aufgeräumte Kinderzimmer, aber sie am Sonntag mit den Kindern aufzuräumen, stärkt bei uns in der Familie nicht den Zusammenhalt. Erledigte Mails und sortierte Unterlagen geben mir ein gutes Gefühl, aber manchmal denke ich am Sonntagabend, ein freier Tag morgen wäre schön.

Für dieses Wochenende bin ich fest entschlossen, mir meine jüdischen Freunde zum Vorbild zu nehmen. Gleich an heute Morgen werde ich mir überlegen, was alles noch unbedingt erledigt werden muss. Dann werde ich loslegen und machen so viel ich kann. Aber nur bis zum Abend. Dann höre ich auf, dann beginnt der Sonntag.

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