Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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24AUG2021
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Wie werde ich mich heute fühlen? Gar nicht so einfach zu beantworten. Um diese Uhrzeit schon gar nicht, da bin ich noch nicht wirklich ansprechbar. Werde ich heute niedergeschlagen, ausgelaugt, antriebslos sein? Oder eher aufgeweckt, kraftvoll, energiegeladen? Werde ich mich eher schwach oder kräftig fühlen? Oder irgendetwas dazwischen?
Die eigenen Gefühle spüren ist nicht immer einfach. Weder in der Schule noch an der Uni habe ich gelernt Gefühle in Worte zu fassen. Erst viel später, meistens aus der Not heraus. Es war notwendig, um meiner Partnerin zu sagen, wie es mir in unserer Beziehung geht. Und dann habe ich in verschiedenen therapeutischen Ausbildungen gelernt Gefühle zu beschreiben. Mein Eindruck ist Frauen tun sich leichter über Gefühle zu reden. Als Mann ist es heute immer noch nicht selbstverständlich.
Von Frauen und Männern wird aber nicht nur im Privaten, auch in vielen Berufen „Empathie und Sozialkompetenz“ erwartet. Dazu gehört zunächst, eigene Gefühle spüren können und dafür die richtigen Worte finden. Wir reden sonst oft aneinander vorbei. Es gibt Missverständnisse, oder wir interpretieren etwas falsch, streiten unnötig. Dann auch Gefühle bei anderen wahrnehmen, auch darüber angemessen reden können. Mitfühlend nachfragen. Zuhören, ohne sofort zu meinen, einen guten Rat geben zu müssen.
Mitgefühl kann man trainieren. Mir hat eine einfache Methode geholfen:
Erstens: Was sehe ich, was höre ich, was nehme ich wahr? Am besten, ohne es weiter zu kommentieren oder zu bewerten. Zweitens: Wie wirkt das auf mich, was löst das bei mir aus. Ehrlich und schnörkellos. Immer offen dafür, dass es meine subjektiven Beobachtungen und Gefühle sind, keine objektiven Wahrheiten. Und dann die Frage: Ist das so? Dann kann mein Gegenüber mir zustimmen, fühlt sich verstanden oder kann mich korrigieren, mir seine Sicht der Dinge, seine Gefühle mitteilen.
Das kann sich so anhören: „Ich beobachte, Du bist stiller als sonst, Du sagst nur wenig oder fast gar nichts. Ich habe den Eindruck Du bist traurig und enttäuscht, dass es mit dem gemeinsamen Spaziergang nicht geklappt hat. Ist das so? Oder: „Als Du von Deinem Projekt erzählt hast, habe ich ein Lächeln gesehen. Ich glaube es ist Dir wichtig und Du bist stolz auf Deinen Beitrag. Ist das so?“ Gespannt warte ich dann auf die Antwort. Liege ich richtig oder lerne ich über mich und mein Gegenüber noch etwas dazu?

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