SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

20JUN2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Auf Ankündigungen muss man sich verlassen können. Ich finde das wichtig. Wenn ich meiner Mutter sage, dass ich mich bei ihr melde, dann würde ich sie enttäuschen, wenn ich nicht bei ihr anrufe. Auch Politiker kündigen viel an, besonders in einem Wahljahr. Wenn sie das dann nicht umsetzen, machen sie sich unglaubwürdig. Oder gar lächerlich. Ist Gott auch so ein „Ankündigungsminister“?

Diese Frage hat sich Jona gestellt. Die Bibel erzählt, wie Gott ihn in die Stadt Ninive geschickt hat. Jona sollte den Bewohnern dort ankündigen, dass ihre Stadt untergehen wird. Gott konnte es nämlich nicht mehr mit ansehen, was da los war. Ninive, das war eine Stadt voller Ungerechtigkeit und voller Egoisten. Deswegen sollte damit in 40 Tagen Schluss sein. Das war beschlossene Sache.

Aber dann ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hat. Am allerwenigstens wahrscheinlich Jona selber. Die Leute in Ninive haben ihn nämlich ernst genommen. Was – 40 Tage noch? Das ist nicht viel Zeit. Aber immerhin  - in der Zeit können wir es wenigstens versuchen, es besser zu machen. Vielleicht lässt Gott sich ja doch noch umstimmen und wir können die Katastrophe abwenden. So stelle ich mir die Reaktion auf Jonas Bußpredigt vor, von der die Bibel erzählt. Eine ganze Gesellschaft in „Sack und Asche“. Ein König, der sein Volk zum Fasten aufruft. Alle sollen sich mäßigen. Und die Reichen und Mächtigen gehen mit gutem Beispiel voran. 40 Tage noch? 

Wunderbar, wie die Bibel das erzählt. Die Katastrophe scheint unausweichlich zu sein, und trotzdem ändern die Menschen ihr Verhalten. Das finde ich ermutigend, wenn ich an die Katastrophen denke, auf die wir heutzutage zusteuern. Vielleicht gelingt es ja doch noch, den CO 2-Ausstoß deutlich zu reduzieren und die Erderwärmung zu bremsen. Vielleicht schaffen wir es mit vereinten Kräften, die Pandemie weltweit zu bekämpfen und Impfstoff und Medikamente mit ärmeren Ländern teilen. „40 Tage noch – und Ninive wird zerstört.“ Ja. Aber solange gilt: Veränderungen sind möglich. Es ist nie zu spät, um die Chance zu nutzen, auch wenn sie noch so gering ist.

In Ninive haben sie ihre Chance genutzt. Und anscheinend war auch Gott total überrascht davon, dass man in so einer Stadt auf ihn gehört hat. Deswegen hat er es sich doch nochmal anders überlegt. Beachtlich! Ein Gott, der sich selber korrigiert und seine eigenen Ankündigungen nicht wahr macht. Ein Gott, der inkonsequent ist, weil er sich offenbar riesig darüber freut, wenn Leute auf ihn hören und die Hinweise ernst nehmen und sich dann auch tatsächlich ändern.

 Ja, ich hoffe darauf, dass Gott sich auch freut, wenn ich meine Fehler einsehe. Denn was gibt es Schöneres als wenn man sieht. Geht doch. Da will es jemand besser machen. Von mir aus soll sie ihre Chance bekommen. Ich will ihr dabei helfen.

Aber Jona hat sich nicht gefreut. Im Gegenteil, Jona war stinksauer auf Gott. „Du immer mit deiner Barmherzigkeit“, hat er Gott angemault. „Erst zwingst du mich, hier zu predigen. Ich sollte den Buhmann geben und den Leuten Angst und Schrecken einjagen – und dann steh ich hinterher dumm da.“ Richtig beleidigt muss Jona gewesen sein, erzählt die Bibel, Jona, ein grantelnder Mann, der sich unter einen Busch setzt und missmutig abwartet, wie in Ninive das Leben weitergeht.

Schade. Schade, wenn man sich so wenig mitfreuen kann. Schade, wenn man nicht einfach mal einen Schlussstrich ziehen und sagen kann:  Euer Verhalten früher war falsch, aber jetzt lasst uns nach vorn schauen. Schade, wenn mir jemand beim Trauergespräch erzählt, dass  eine Schwester oder ein Cousin nicht zur Beerdigung kommt, weil es vor 30 Jahren mal Streit gegeben hat. Mein Gott, denke ich dann, so kann man sich auch unglücklich machen. Einer rechnet dem anderen vor, was falsch gelaufen ist - ganz konsequent. Dadurch ändert sich aber nichts. Bei aller Konsequenz sollte ich  auch mal umdenken können und runterkommen von meinen festen Grundsätzen.  Ich muss jemandem auch die Chance geben, es anders und besser zu machen als bisher - und mir selber muss ich diese Chance auch geben.

Gott tut das jedenfalls. Lieber ist er barmherzig als konsequent. Und auch Jona hat er nicht vergessen, der sich in den Schatten verzogen hat und schmollt.  „Mensch“, sagt er zu ihm, „was sitzt du da und bedauerst dich selber?  Du findest es schlimm, dass ich meine Ankündigung nicht wahr gemacht habe. Aber wäre es nicht viel schlimmer, wenn eine ganze Stadt zugrunde gegangen wäre?“

Was ist mit dir, so fragt Gott zum guten Schluss. Kehrst du auch um? Lässt du dich von deinem Zorn heilen? Sei doch barmherzig und freu dich! Was meinst du?

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir darauf gute, fröhliche Antworten finden und mit anderen und mit uns selbst barmherzig umgehen. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33358
weiterlesen...