SWR4 Sonntagsgedanken

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06JUN2021
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Ich sehe es noch vor meinem inneren Auge. Ich - damals ein Teenager - stehe in Vaters Keller. Am Boden um mich herum Werkzeuge, Farbdosen, Fliesenscherben und vor allem Nägel und Schrauben. In allen Größen und Dicken. Wochenlang hatte mein Vater mir gesagt, dass ich das Schwerlastregal ausräumen müsse. Ein Regalboden war bedenklich gebogen. Und jetzt war er eingeknickt, und ich musste alles einzeln auflesen.

Mein Vater hatte es mir ja mehrmals aufgetragen. Er konnte das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Ich habe es aber vor mir hergeschoben. Es waren doch seine Werkzeuge – was hatte ich damit zu schaffen? Heute denke ich: Ich hätte es einfach gleich machen können. Es hätte so einfach sein können: Alles in den Koffern, Schäferkästchen und Tüten greifen und umsortieren. Stattdessen hat sich die Arbeit verdoppelt.

Das war mir eine Lehre fürs Leben. Heute bin ich jemand, der sich am liebsten direkt daran macht, Dinge zu erledigen. Oder doch wenigstens einem Zeitplan folgt. Das klappt nicht immer. Aber ich habe im Hinterkopf behalten, dass ich mitunter einen Preis bezahle, wenn ich etwas aufschiebe.

Weil ich die Alltagsbelastungen gerne hinter mich bringe, schiebe ich dann aber oft Kontakte zu meiner Familie und meinen Freunden vor mir her. Vor allem schiebe ich Besuche bei meiner Mutter auf die lange Bank.

Immerhin: ich weiß, dass ich die Besuche bei ihr auf die lange Bank schiebe. Und ich weiß dann auch, dass ich mich mal melden sollte. Und dann wäge ich ab: Sollte ich die Mutter anrufen? Aber der Alltag ist so anstrengend, eigentlich hätte ich gerne ein Stündchen Ruhe. Und dann entscheide ich mich doch fürs Sofa. Und das holt mich dann ein. Bei meiner Mutter ist es geradezu unheimlich. Wenn ich mal in Ruhe da sitze und lese, ruft sie an. Unter Garantie. Da ist sie hartnäckig.

Und das ist auch gut so – und tief im Herzen bin ich auch dankbar dafür. Wenn ich sie besuche gibt es gutes Essen, viel zu lachen, wir machen Ausflüge. Ich weiß, dass sie es gut mir meint. Zu den Besuchen gehört aber auch immer eine To-Do-Liste von Gartenarbeit. Gartenarbeit ist nicht mein Fall. Aber ich freue mich, wenn sie sich an ihrem Garten freut. Von daher fahre ich gerne zu ihr, auch wenn es Arbeit bedeutet.

Die Menschen zur Zeit der Bibel kannten dieses Phänomen auch. Eine Geschichte erzählt davon.
Der Prophet Jona bekommt von Gott den Auftrag, die Großstadt Ninive zu besuchen. Die Menschen dort sollen ihr Leben ändern. Sie sollen sich bessern. Gott droht mit Konsequenzen: Wenn Ihr Euer Leben nicht ändert und bessert, werde ich Eure Stadt vernichten.

Jona will diesen Auftrag nicht erfüllen. Warum soll er sich um eine fremde Stadt kümmern? Und so besteigt Jona das nächstbeste Schiff. Er will so weit weg wie möglich. Auf See kommt ein Sturm auf. Jona weiß: Gott hat diesen Sturm geschickt, um mich aufzuhalten. Jona lässt sich über Bord werfen und wird von einem großen Fisch verschluckt. Drei Tage später spuckt ihn der Fisch wieder aus. Jona macht sich an seine Aufgabe. Geläutert zwar, aber es wird ein voller Erfolg. Die Einwohner von Ninive ändern sich. Die Stadt wird nicht vernichtet.

Für die Menschen zur Zeit der Bibel war klar: Unser Tun hat Konsequenzen. Für einzelne, aber auch für viele. Jona hat das doppelt lernen müssen. Seine Verweigerungshaltung hat ihm drei Tage Fischbauch eingebracht. In Ninive konnte er lernen, dass seine Botschaft die Einwohner verändert hat. Sie dürfen glücklich weiterleben.

Die Erzählung von Jona zeigt mir, dass es sich lohnt, seinen Mitmenschen nicht aus dem Weg zu gehen. Gott schickt uns zu anderen hin, weil das gute Konsequenzen hat! Und die spielen sich eben in den Beziehungen ab, die wir haben.

Mein Vater war damals nicht böse, als das Schwerlastregal zusammengebrochen war, aber ich hätte ihm eine Freude machen können. Und wenn ich meine Mutter lange nicht besucht habe, dann ruft sie hartnäckig an. Und das, dass sie mich immer hartnäckig anruft, ist das doch wie ein Fingerzeig. Dass ich nämlich wieder etwas vor mir herschiebe, was doch für alle gute Konsequenzen hätte.

Die Geschichte von Jona motiviert mich, den guten Konsequenzen mehr Chancen zu geben. Weil ich darauf vertrauen darf, dass Gott sich für die Menschen gute Konsequenzen wünscht.

Haben Sie vielleicht Lust bekommen, das auch auszuprobieren? Vielleicht fällt Ihnen ja jemand ein, den Sie schon längst mal anrufen wollten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33293
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