Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31MAI2021
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"Ich geh fischen!“ … einer meiner Lieblingssätze aus der Bibel. Petrus versteht die Welt nicht mehr: Erst ist Jesus gestorben, dann soll genau dieser Jesus doch wieder leben, heißt es. Wer soll denn das verstehen? Und da wird es dem Petrus zu viel. Er guckt seine Freunde an und sagt: "Ich geh fischen!“ Ich schmunzele jedes Mal, wenn ich das lese. Ich meine: Gerade wurde ihm gesagt: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Es gibt ein Leben danach! Und er? Geht fischen!

Andererseits: Das ist ja naheliegend, für einen Fischer. Er macht das, was er am besten kann. Was dem Petrus das Fischen ist, ist Mutter Beimer in der Lindenstraße das Spiegeleierbraten gewesen und bei mir sind es Hund und Musik. Wenn ich die Welt nicht mehr verstehe, wenn mir alles zu viel wird im Kopf und überhaupt – dann nehme ich unseren Hund, und laufe mit ihm einen schönen Weg und höre Musik.

Da merke ich: Puh, das tut gut. Der Druck lässt merklich nach. Beim Laufen kann ich mein Gedankenkarussell immer wieder anhalten oder zumindest verlangsamen: Als würde meine Seele erkennen: Okay, wir können den

Panikmodus beenden. Mit ein bisschen Abstand auf die Dinge gucken, die mich so umgetrieben haben.

Ich glaube, dass es gut ist, sowas zu haben: Etwas, das mir hilft, wieder zu mir zu kommen. Immer wenn mich etwas oder jemand aufregt, aus der Bahn wirft.

Allerdings sollte dieses "Erstmal“ unbedingt etwas sein, das weder mir noch anderen schadet.

Viele Menschen scheinen die Chatforen im Internet für Ihren Angelteich oder ihre Spiegeleierpfanne zu halten – sie reagieren sich ab, indem sie dort ihren Frust abladen, Menschen niederschreiben. Ganz allgemein auf "die Politiker“, "die Presse“, "die Kirche“, "die Ausländer“ losgehen – verbal, anonym, aber sehr massiv. Da wird die Überschrift gelesen, die nicht selten in die Irre führt und schon geht es los…

Es müsste im Netz so eine "Erstmal-Funktion“ geben. Also, wenn man etwas schreibt und auf „posten“ klickt, dann müsste die Plattform sagen: „Willst du nicht erstmal fischen gehen, bevor du das in die Welt sendest?“ Wenn du dann immer noch genauso denkst, dann sende es.“ Ich bin mir sicher, die Zahl der wütenden Posts würde rapide abnehmen.

Instagram, Facebook und Co werden diese Funktion wohl nicht einführen. Wer also raus will aus dem Gefühls- und Gedankenchaos, muss sie für sich selbst finden, seine eigene "Erstmal-einen-Schritt-zurück-Funktion.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33230
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