Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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21MAI2021
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Taizé ist ein kleines Dorf im Burgund. Normalerweise treffen sich dort Woche für Woche Jugendliche aus der ganzen Welt. Das ist auch jetzt möglich. Eingeschränkt, wie überall.

Überwiegend kommen nach Taizé Christen. Welcher Kirche sie angehören spielt keine Rolle. Sie kommen, weil sie an diesem Ort Gemeinschaft erleben. Im Mittelpunkt steht, was sie verbindet und nicht, was sie trennt. Dreimal am Tag treffen sie sich zum Gebet.

Freitag abends bleiben sie noch lange nach dem Gebet in der Kirche. Als Erinnerung an den Todestag von Jesus liegt ein großes Holzkreuz in der Mitte der Kirche flach auf dem Boden. Etwas erhöht auf ein paar Backsteinen wie ein Tisch – 10 / 12 Leute passen drum herum. Wer dort Platz nimmt, legt seinen Kopf auf dem Kreuz ab. Es ist sichtbar, worum es geht. Menschen zeigen, dass sie belastet sind. Sie legen ihren Kopf auf dem Kreuz ab und bringen so ihre Last zu Gott. Sie fühlen sich von ihm getragen. Und sie erleben, dass sie nicht alleine sind. Neben ihnen sitzen andere, die dasselbe tun. Ohne voneinander zu wissen, welchen Kummer sie haben. Obwohl sie schweigen sind sie verbunden.

Als Menschen und durch ihren Glauben an Gott.

Das Kreuz ist im Christentum ein starkes Zeichen dafür, dass Gott die Menschen liebt. Auf den ersten Blick kann man das nicht sehen. Denn im Grunde ist es einfach grausam, wie Jesus am Kreuz gestorben ist. Es erklärt sich nicht von alleine, warum das sein musste. In Taizé kann man etwas davon ahnen. Dort entlastet das Kreuz Menschen sichtbar und fühlbar. Das habe ich selbst oft erlebt bei meinen Besuchen dort.

Zurzeit hilft es mir, mich an dieses Gefühl zu erinnern. An manchen Tagen kann ich kaum aushalten, wie viel sich in der Pandemie verändert hat. In der Schule gibt es fast jede Woche neue Maßnahmen. Logisch ist daran vieles nicht. Zu Impfstoffen kreisen widersprüchliche Informationen. Ein Ende der Pandemie ist nicht in Sicht. Die Auswirkungen sind nicht berechenbar. Oft gelingt es mir, das Beste aus der Situation zu machen. Manchmal fühle ich mich nur ohnmächtig.

Für mich ist es gut zu wissen, dass in Taizé Menschen gemeinsam um das Kreuz sitzen wie um einen Tisch, ihren Kopf ablegen und entlastet werden. Wenigstens in Gedanken setze ich mich zu ihnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33169
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