Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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17MAI2021
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Vor eineinhalb Jahren ist meine Mutter gestorben. Keiner hätte vor ihrem Tod sagen können, wie es meinem Vater dann gehen wird. Meine Eltern waren 60 Jahre verheiratet. Jetzt muss mein Vater damit zurechtkommen, dass er alleine ist. Dass Gott wichtig ist in seinem Leben, hilft ihm. Er glaubt, dass Gott ihm oft gezeigt hat, wie es weitergehen kann, wenn er nicht wusste, wo ihm der Kopf steht.

Die Zukunft ist immer offen. Das erlebe auch ich nach dem Tod meiner Mutter sehr bewusst. Auf einmal ist alles anders. Wie genau, weiß man erst wenn es ist, wie es ist. Viele erleben irgendwann so einen Einschnitt und müssen dann damit umgehen. Ob sie wollen oder nicht. Nach einem Unfall, einer Krankheit, einer Trennung, einer Kündigung.

Meinem Vater gelingt gut, das Leben zu nehmen wie es jetzt ist.

Wenn er traurig ist, dann ist es eben so. Neben dem Bild meiner Mutter im Wohnzimmer stehen immer frische Blumen. Er spricht mit ihr.

In gewisser Weise ist sie weiterhin ein Teil seines Lebens – ganz selbstverständlich. Er genießt aber auch, dass er frei ist.

Tun und lassen kann, was er will. Er merkt, dass er gut für sich selbst sorgen kann. Wir Kinder und auch seine Enkelkinder sind ihm näher als früher. Das ist schön. Er ist gesund und für sein Alter ziemlich fit.

Ja. Das sind große Geschenke.

Trotzdem gibt es schwere, sehr schwere Tage. Manchmal muss er aushalten, dass es dunkel ist. Dass er nicht hinkriegt, was er sich für den Tag vorgenommen hat und fast nur auf der Eckbank sitzt. Manchmal schafft er noch, dann jemanden anzurufen oder an einem Lieblingsort spazieren zu gehen. An manchen Tagen kann er zum Gottesdienst gehen. Auch das hilft ihm.

Fast immer erinnert er sich an einen Satz seiner ältesten Enkeltochter. Sie hat als Kind in einer schwierigen Situation zu ihm gesagt:

„Opa, das Leben ist so.“ Ein Merksatz.

Das Leben ist bisweilen nicht so, wie ich mir das wünsche. Manchmal kann ich es beeinflussen. Manchmal auch nicht. Es gibt Menschen, denen es leichter fällt, ja zu sagen zu dem was sie nicht ändern können. Mein Vater ist sicher einer von ihnen. Er glaubt, dass er sein Leben Gott verdankt. Dass Er ihn hält und begleitet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33165
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