SWR1 3vor8

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09MAI2021
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Gibt es Menschen, die Gott bevorzugt? Oft höre ich: Vor Gott sind alle gleich. Aber jahrhundertelang galten zum Beispiel Geistliche oder sehr fromme Menschen als von Gott besonders geliebt. Eine ordentliche intakte Familie, in der sonntags alle zusammen brav in die Kirche gehen, gilt manchen heute als christliches Ideal. Sind sie Gott besonders nahe? Eine Erzählung aus der Bibel, über die heute in den evangelischen Kirchen gepredigt wird, stellt klar, für welche Menschen Gott sich besonders interessiert: 

6 Er hilft dem Armen und erhört das Gebet des Unterdrückten. 17 Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt.

Es sind Menschen mit wenig Geld, Kinder ohne Eltern, Frauen ohne eigenes Einkommen, die für Gott besonders bedeutend sind. Der Text beschreibt das in einem Bild: Ihre Gebete dringen durch die Wolken, heißt es da. Also direkt zu Gott, so die Vorstellung.  

Ich finde das tröstlich. Dass Gott ganz besonders denen zuhört, die oft übersehen werden, die gesellschaftlich benachteiligt sind. Das sind heutzutage zum Beispiel Alleinerziehende, die kaum genug Geld haben, um ihre Familie zu versorgen. Das sind Erntehelfer ohne Krankenversicherung. Das sind Geflüchtete, die auf Schlauchbooten im Mittelmeer um ihr Leben fürchten. Auf sie gibt Gott besonders acht. Ich hoffe, dass gibt diesen Menschen auch selbst Zuversicht.

Bei Gottvertrauen und Trost allein sollte es aber nicht bleiben, finde ich. Ja, Gott hört die Armen und Benachteiligten, aber ich glaube, er braucht meine Mithilfe, um ihr Leben konkret zu verbessern.

Heute ist Europatag. Es wird daran erinnert, dass vor 71 Jahren politische Weichen für die Gründung der Europäischen Union gestellt wurden. Gerne wird betont, die EU sei eine Wertegemeinschaft. Das finde ich gut und wichtig. Aber es muss sich darin zeigen, wie wir zusammenleben und woran wir uns orientieren, wenn wir handeln. Ich möchte in dieses Europa christlichen Werte einbringen: Arme und Ausgegrenzte unterstützen, die der Bibeltext nennt. Mich dafür einsetzen, dass Menschen genug Geld haben, um am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzunehmen. Dass wir Geflüchtete nach all unseren Möglichkeiten aufnehmen. Und ich glaube, wenn ich den Benachteiligten zuhöre und versuche sie zu unterstützen, dann komme ich auch Gott ganz nahe. Weil ich dann gemeinsam mit ihm am Werk bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33131
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