SWR2 Wort zum Tag

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26APR2021
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Die Suche nach Identität ist die Suche nach dem, was ich bin, wo ich hingehöre, wo ich mich zuhause fühle. Dazu gehören für mich auch mein Glaube, die Rituale der Kirche, die Gerüche und Farben und Formen. Sie geben mir das Gefühl, zuhause zu sein.

Und dann meine südbadische Herkunft, mein Dialekt, die Mentalität, Landschaft, die hiesigen Spezialitäten. Ach wie schön ist es, zu wissen, wo man herkommt und wo man hingehört.

Je mehr ich mich aber mit diesem Thema beschäftige, desto mehr werden mir auch die Schattenseiten dieser Suche nach Heimat und Identität bewusst. Nur dann, wenn ich positiv bestimmen kann, was mich ausmacht, ist es auch für meine Mitmenschen, die Gesellschaft eine gute Suche. Wenn ich dagegen meine Identität negativ definiere, indem ich mich abgrenze, wird leicht eine vergiftete Suche daraus. Dann kommt dieses aggressive Gefühl dazu und diejenigen außerhalb meiner gefühlten Gruppe werden „die da“, „die Anderen“. Die Soziologen sagen uns, dass alle Identitäten immer sogenannte „konstruierte“ Identitäten sind. Wir bauen uns irgendwie zusammen, was uns ausmacht. Es kommt darauf an, wem wir im Leben begegnen und ob wir uns wohl in unserer Haut fühlen oder nicht.

Wenn das aber stimmt, dass zugehören immer irgendwie konstruiert ist, dann wirkt es doch geradezu lächerlich, welchen Identitäts-Popanz wir so häufig aufbauen. Die Welt scheint ja geradezu an der Nadel dieses Popanz zu hängen, wenn die sogenannten „Identitäre Bewegung“ eine völkisch einheitliche „europäische Kultur“ propagiert, wenn Volkgruppen oder Gruppen unterschiedlicher Religion so voneinander reden, als seien „die Anderen“ entweder gar keine Menschen oder minderwertige Menschen. So viele Beispiele auf allen Kontinenten gibt es, die zeigen, dass daraus unglaubliche Brutalität werden kann und jede Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.

Entspannt Euch doch alle mal! Was bleibt denn übrig von dieser Identität, wenn wir doch alle „zum Staub zurückkehren“ (ganz am Anfang der Bibel, im Buch Genesis zu lesen)? Entspannt Euch doch mal Ihr Gläubigen der verschiedenen Religionen! Wie sollte das denn zu unserem Schöpfer passen, dass er manche Menschen mit mehr Würde und Wert geschaffen hätte als andere? Wir sind alle zuerst und vor allem Menschen. Das ist unsere wichtigste Identität.

Wenn wir uns in dieser Hinsicht entspannen, können uns die Machthungrigen dieser Welt auch nicht mehr aufpeitschen, manipulieren, instrumentalisieren.
Dann kann ich wieder entspannt in meinen Heimatgefühlen baden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33043
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