Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24APR2021
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Es ist ein regnerischer Apriltag, und ich komme vom Joggen aus dem Wald. Mein Auto habe ich am Rand eines Waldwegs geparkt, wie viele andere auch. Ich schließe es gerade auf, als ich bemerke, wie ein Auto neben mir im Schlamm festhängt. Verzweifelt versucht der Fahrer loszufahren, aber die Räder drehen durch. Die Reifen sind schon ganz braun vom Schlamm. Ich habe schon öfter geholfen, Autos anzuschieben, und ich weiß: ich schaffe das auch diesmal. Also gehe ich hin und stemme mich mit voller Kraft gegen das Auto. Der Fahrer gibt Gas, das Auto bewegt sich vorwärts – ich habe es geschafft. Nur verliere ich dabei den Halt, weil das Auto weg ist, und liege langgestreckt im Matsch, verdreckt und hilflos. Richtig peinlich ist das. Die starke Helferin liegt auf der Nase.

Als ich versuche im rutschigen Matsch aufzustehen, streckt mir eine fremde Frau ihre Hand entgegen und zieht mich hoch. Jetzt merke ich: die starke Helferin in mir kann Hilfe ganz gut brauchen. Und ich überlege: Wäre nicht schon vorhin beim Anschieben Hilfe gut gewesen? Ich habe mich gar nicht umgesehen, ob noch jemand da ist.

Später im trockenen Wohnzimmer zu Hause fallen mir noch mehr Situationen ein, in denen ich unbedingt alles alleine schaffen wollte. Zum Beispiel als ich neulich Freunde in ihrer neuen Wohnung besucht habe. Ich war zum ersten Mal dort und habe ewig nach der Straße gesucht, anstatt gleich jemanden nach dem Weg zu fragen.

Und mir fällt auch meine letzte große Geburtstagsfeier ein. Die hätte ich entspannter erlebt, wenn ich zugelassen hätte, dass meine Gäste etwas fürs Büfett mitbringen. So bin ich stundenlang vorher in der Küche gestanden, nur um alles selber zu machen. Manchmal verhindert mein eigener Stolz, dass ich Hilfe annehme. Ich mag dann alleine stark sein und will meinen Erfolg mit niemandem teilen. Ich habe aber auch schon erlebt: Wenn ich etwas gemeinsam mit anderen schaffe, fühlt es sich besser an.

Vielleicht hätten wir ja da am Waldrand zu dritt oder zu viert das Auto einfacher aus dem Matsch bekommen. Und wir hätten alle viel besser das Gleichgewicht halten können. Und dann wäre keiner im Matsch gelandet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33010
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