Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13APR2021
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„Über die Toten nur Gutes.“ So heißt es in einem Sprichwort. Ich kann mir schon vorstellen, was hinter diesem Motto steckt. Wenn jemand gestorben ist, dann soll man sein Leben nicht in den Dreck ziehen. Und auch nicht plötzlich Anschuldigungen vorbringen, die man zu Lebzeiten nie ausgesprochen hat. Manches ist mit dem Tod vorbei. Und mit Bitterkeit ist einem beim Trauern kaum geholfen, da fällt das Loslassen nur um so schwerer.

Aber ich frage mich schon: Soll man dann ganz verschweigen, was man bei einem Verstorbenen als schwierig empfunden hat? In jedem noch so gelungenen Leben gibt es ja auch Schattenseiten. Dinge, die man nicht verstanden hat, die einem weh getan oder das Miteinander schwer gemacht haben. Muss man das unter den Tisch fallen lassen? Nirgends wird so viel gelogen wie bei Beerdigungen, sagt man. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das hilft. Beim Abschied muss doch Schönes und Schweres Raum haben, damit man damit umgehen kann!

Wenn man das Sprichwort aus dem Lateinischen ganz genau übersetzt, dann klingt es ein klein wenig anders: „Über die Toten nur in guter Weise.“ Das ist ein Unterschied, finde ich. Denn das heißt doch: Auch das, was schwergefallen ist im Leben eines Menschen, darf gesagt werden. Nur eben in Würde – so dass der Wert eines Menschen nicht in Frage steht. Und auf jeden Fall so, wie man es dem Verstorbenen auch selbst hätte sagen können.

Wenn ich als Pfarrer mit den Angehörigen und Freunden eines Verstorbenen die Beerdigung vorbereite, dann interessiere ich mich auch für seine Ecken und Kanten. Und meistens merke ich dann, wie gut es meinen Gesprächspartnern tut, auch darüber zu reden. Oft kommen wir auch auf mögliche Gründe: Wie ist es vielleicht dazu gekommen? Was hat jemand selbst ausgehalten? Und das alles in dem Wissen, dass es natürlich viele Sichtweisen gibt.

Das Allermeiste davon kann dann auch in der Predigt seinen Platz finden. Oft versteckt, zwischen den Zeilen. Aber manchmal auch ganz offen – vieles ist ja sowieso gar kein Geheimnis. Und ganz am Schluss, bevor es zum Grab geht, kann man in der Stille auch an das denken, was der Verstorbene einem schuldig geblieben ist. Und ihm vergeben, wenn möglich.
Schönes und Schweres – beides muss beim Abschied Platz haben, denke ich. Auf gute Weise.

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