Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12APR2021
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Seit ein paar Wochen haben wir drei neue kleine Kinder. Sie sind sehr lebhaft, mögen für ihr Leben gern Gemüse und vervollständigen die Geräuschkulisse bei uns zu Hause durch putzige Knatter- und Quietscheinlagen. Ach ja – Fussel, King Kong und Bindi sind Meerschweinchen.

Drei mussten es sein, weil wir ja auch noch drei leibliche Kinder haben. Von denen besitzt jetzt jedes ein persönliches Haustier – und ist entsprechend stolz. Noch vor dem Anziehen und Zähneputzen geht es jetzt oft nach unten ans Gehege. Dort wünscht man sich gegenseitig einen guten Morgen, unsere Kinder beobachten Fussel, King Kong und Bindi in ihren Hängematten und machen ihnen ein Frühstück. Wenn es nach ihnen ginge, wären die Meerschweinchen auch nicht in ihrem Gehege, sondern durchgehend auf dem Arm oder beim Essen neben dem Teller oder gleich mit in der Badewanne …

Mich berührt es, das mitzuerleben. Für mich werden da auch alte Erinnerungen wach – als Kind hatte ich auch ein Meerschweinchen … Und ich habe den Eindruck: Unsere neuen Schützlinge lassen so manche Charaktereigenschaft unserer Kinder noch deutlicher hervortreten. Die eine Tochter sorgt aufmerksam dafür, dass auch andere Kinder die Meerschweinchen mal auf den Arm nehmen können. Die andere Tochter müssen wir regelmäßig bremsen in ihrem Liebes-Überschwang. Unser Sohn baut seinem Tier – übrigens das einzige Männchen, so wie er unter seinen Geschwistern – aufwändige Tunnelkonstruktionen. Und nebenbei hat er entdeckt, dass man bei einem Haustier auch Trost suchen kann, wenn das Leben mal wieder zu kompliziert wird.

Wie ist das alles möglich? Die drei Meerschweinchen tragen nicht viel aktiv dazu bei. Wie könnten sie auch? Erst mal sind sie einfach nur da, als lebendige Gegenüber. Sie reagieren auf das, was sie erleben – übrigens auch ganz unterschiedlich, was den Charakter angeht. Und wahrscheinlich ist das schon das ganze Geheimnis. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, hat Martin Buber gesagt. Und die Bibel erzählt auf den ersten Seiten, dass der Mensch nicht allein bleiben soll – also schafft Gott ihm ein lebendiges Gegenüber [vgl. 1. Mose 2,18]. Spätestens seit unsere Kinder ihre Meerschweinchen haben, bin ich überzeugt: Damit ist die gesamte Schöpfung gemeint. So richtig lebendig werden wir erst, wenn wir mit anderem Leben zu tun bekommen – und die Welt ist voll davon.

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