Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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03APR2021
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Es ist ein Tag dazwischen, der Karsamstag. Karfreitag, der Todestag von Jesus, ist vorüber. Ostern, das Fest der Auferstehung, noch nicht da. Heute wird noch kein fröhliches Halleluja gesungen und in den Kirchen schweigen die Kirchenglocken noch bis zur Osternacht. Ein stiller Tag, der Karsamstag. Ein Tag dazwischen.

Fra Angelico hat im 15. Jahrhundert ein Bild dazu gemalt. Eine Kopie davon hängt in meinem Arbeitszimmer. Ich habe es oft vor Augen. Der Künstler hat einen ausgesprochen kraftvollen Jesus gemalt. Der hat dem Tod und dem Teufel soeben die Tür eingetreten. Ein Teufel liegt unter der umgekippten Eingangstür begraben, andere haben sich verschreckt in dunkle Ecken verkrochen. Durch den Eingang fällt Licht in die finstere Höhle. Jesus stürmt in das Totenreich. Unwiderstehlich. Den ersten der dort gefangenen Menschen hat er schon an der Hand genommen und zieht ihn Richtung Ausgang. Die nächsten folgen schon und spüren die ersten Lichtstrahlen auf ihrem Gesicht.

Das ist die sogenannte „Höllenfahrt Christi“. Diese Vorstellung hat eine lange Tradition im christlichen Glauben. Der Gedanke: es mag gerade aussehen wie Grabesruhe. Es fühlt sich vielleicht auch so an. Aber es tut sich etwas. Jesus ist gerade unterwegs hin zum dunkelsten Ort, den Menschen sich vorstellen können. Genau dorthin bringt er Licht. Im Glaubensbekenntnis, das in den evangelischen Gottesdiensten oft gesprochen wird, klingt das so: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“.

Diejenigen, die noch mittendrin sind im Dunkel, können das noch nicht sehen. Vielleicht sehen sie gerade nur ein Licht am Horizont. Irgendeinen Lichtblick. Vielleicht spüren sie nur die Hand eines Freundes, einer Freundin, die bei ihnen ist und ihnen Mut macht. Da ist noch viel Dunkel um sie herum. Das kann Menschen Angst machen. Aber dieser alte Gedanke von der „Höllenfahrt Christi“ sagt: keine Dunkelheit der Welt kann Menschen für immer festhalten. Da kommt ein Licht von Gott her, das ist stärker. Da ist eine liebevolle Kraft, die ist stärker. Stärker als der Tod.

Heute, am Karsamstag denke ich an die, die das noch nicht spüren können. Ich wünsch ihnen dieses Licht am Horizont. Und Menschen, die ihnen Mut machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32860
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