Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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27MRZ2021
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Morgen wird die Zeit umgestellt. Beziehungsweise, wir tun nur so, weil sich die Zeit natürlich nicht umstellen lässt, sondern nur die Uhren. Mitten in der Nacht, während wir schlafen. Von zwei auf drei Uhr. Und schwupps: Es ist Sommerzeit. Mir hat das noch nie viel ausgemacht. In diesem Jahr denke ich mir, es ist völlig egal, weil meine Tage ohnehin fast immer gleich aussehen. Wegen Corona, das erleben viele ja so. Dann denke ich mir aber auch: „Thomas, das lässt du nicht zu. Schließlich hast du immer noch in der Hand, was du aus den Stunden des Tages machst, wie du sie mit etwas füllst, das einen Wert hat.“

Mit der Sommerzeit morgen beginnt in diesem Jahr die Karwoche. Und ich habe mir vorgenommen, dass ich in diesen sieben Tagen bis Ostern noch eine andere, eigene Zeitumstellung praktiziere. Eine Art geistliche oder religiöse Zeitumstellung. Und die geht so: Diese Stunde, die die Uhr vorgestellt wird, also weg ist, geht für mich nicht verloren. Sondern ich hole sie zurück, indem ich mir an jedem Tag der kommenden Woche eine Stunde ganz bewusst für etwas Zeit nehme, das ich sonst nicht getan hätte. Ich mache dafür einen richtigen Plan und trage das auch so in meinen Kalender ein.

Am Palmsonntag zum Beispiel meditiere ich die Leidensgeschichte Jesu. Und zwar so, dass ich die einzelnen Stationen in meinen Alltag, in meine Erfahrungswelt hereinhole: den Verrat des Judas; das Verhör vor Pilatus; Simon, der Jesus das Kreuz tragen hilft; die brutale Gewalt der Soldaten, die Jesus ans Kreuz nageln; die weinenden Frauen, die ihn beerdigen. Das hat alles Parallelen in meinem, in unserem Leben.

Am Gründonnerstag bringe ich einer alten Dame die Kommunion ins Altenheim. Sie wartet seit langem darauf. Und ich habe wegen der Infektionsgefahr den Besuch immer vor mir hergeschoben. Ich melde mich an, mache einen Test, und dann geht das.

An Karsamstag setze ich mich auf eine Bank in den Wald, an einen Platz, wo keiner sonst hinkommt. Ich überdenke das letzte Jahr meines Lebens und frage danach, was durch Corona in die Brüche gegangen ist, wo etwas geheilt werden muss. Wenn die Umstände es wieder zulassen.

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