Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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24MRZ2021
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Wenn ich an dieser Stelle im Radio zu Wort komme, gehört es für mich als Christ auch dazu, Politik und Gesellschaft auf den Zahn zu fühlen. Ob das mit dem zusammenpasst, was ich im Evangelium finde. Oder ob es dem widerspricht, wie Jesus gedacht, gesprochen und gehandelt hat.

Unlängst bin ich auf eine Internet-Seite der Bundesregierung gestoßen, die mich überrascht hat. Es geht dabei um die Umgangsformen im Netz. Titel: Gebote für mehr Haltung und weniger Hass im Netz, Hashtag #anstanddigital. Die Bundesregierung gibt dazu Tipps ab. Und die lesen sich für mich, als stammten sie direkt von Jesus. Das ist eine steile These, und die muss ich jetzt natürlich begründen. Also.

Gebot 1: Das Gegenüber respektieren. Für ein verträgliches Miteinander im anonymen Raum des Internets ist es zwingend erforderlich, die Meinung des anderen anzuhören und ernst zu nehmen. Was nicht bedeutet die eigene Position aufzugeben. Da denke ich an den Zöllner Zachäus in der Bibel. Er ist in ganz Jericho unbeliebt, weil er den Bürgern zu viel Geld abknöpft und sich daran bereichert. Jesus weiß das auch. Und sucht genau deshalb seine Nähe, will bei ihm zu Gast sein[1]. Jetzt muss Zachäus sich damit auseinandersetzen, dass Jesus von der Liebe zum Nächsten predigt. Allein diese Tatsache verwandelt den Mann.

Gebot 2 knüpft unmittelbar daran an: Nicht richten.

Jesus tut genau das in vielen Situationen. Er kennt die Vorschrift seines Glaubens als die Schriftgelehrten eine Ehebrecherin zu ihm bringen, um sie zu steinigen. Und konfrontiert sie dann mit seiner Sichtweise: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie[2]. Wie würde das unser Zusammenleben verändern, wenn sich mehr daran halten würden.

Gebot 3: Sein Gesicht zeigen. Wenn der andere einen nicht kennt, wird schnell gemeckert oder sogar gehetzt. Sich unmittelbar gegenüberzustehen, ist etwas anderes. Erst dann kommen die echten Motive und Gedanken auf den Tisch. Ich vermute, das ist der Grund weshalb Jesus irgendwann klar war: Ich muss nach Jerusalem[3], muss mich dort zeigen, wo man mich fürchtet, muss mich den Fragen und Vorwürfen direkt stellen.

Es freut mich ungemein, dass es diese Übereinstimmung gibt. Dass der Staat, in dem ich lebe, Werte und Haltungen vertritt, die sich mit dem decken, was ursprünglich christlich ist. Und dass er es nicht mal zu sagen braucht, sondern dass das stillschweigend so ist, gefällt mir umso besser.

 

[1]Lukas 19,5

[2]Johannes 8,7

[3]Markus 11 parr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32830
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