Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12MRZ2021
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„und erlöse uns von dem Bösen“ – in dieser Woche habe ich mich mit dem Vater Unser beschäftigt. Und dieses Gebet endet mit genau dieser Bitte: dass Gott uns Menschen vom Bösen erlösen möge.
Oh ja, erlösen von Kriegen wie dem in Syrien der den Menschen dort jetzt seit 10 Jahren Tod, Tränen und Vertreibung bringt.

Oh ja, erlösen von bösen Klerikern der katholischen Kirche, die Kindern abgrundtief Schlimmes an Leib und Seele angetan haben.

Und ja, erlösen von dem Bösen, das sich Menschen antun können, wenn sich Liebe in Hass verwandelt und sie sich körperlich oder seelisch quälen.

Bei all diesen Bitten liegt es in der Hand von uns Menschen, uns vom Bösen zu befreien. Durch den Stopp von Waffenlieferungen an die Kriegsparteien in Syrien zum Beispiel. Oder durch die Veränderungen der männerdominierten Machtstrukturen in der Katholischen Kirche, die sexuellen Missbrauch begünstigen. Und durch Therapien von Menschen, die quälen oder sich quälen lassen. Hier bete ich um Einsicht, Mut, Kraft und Hilfe, dass wir Menschen uns selbst vom Bösen erlösen können.

Ganz anders bei Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis oder der Pandemie jetzt. Da bete ich um Erlösung trotz meiner Einsicht, dass meine Bitte hier keinen Sinn macht. Denn wenn ich an Gott als einen Schöpfer glaube, der den Menschen Gutes will, dann kann es eigentlich keine Hundertausende Tote durch einen Tsunami oder Millionen Tote durch eine Pandemie geben.
Darum gibt es für mich nur zwei mögliche Antworten auf diese Art von Bösem. Die eine: zu fragen und zu klagen. Aber nicht gegenGott zu klagen, das hab ich mit der Zeit aufgegeben, sondern vorGott. In seinem Angesicht zu fragen und zu klagen. Und so in Beziehung mit ihm zu bleiben – trotz allem.
Die zweite Antwort, und vielleicht erwächst sie ja aus dem vorherigen Fragen und Klagen, ist tätiges Schweigen. Meine Energie nicht mit theologischen Fragen zu verschwenden, auf die es eh keine Antworten gibt. Sondern mich tätig in die Menge aller Menschen guten Willens einzureihen. Und dem Bösen die Stirn zu bieten. Im Mitgefühl für die, die darunter zu leiden haben und ihnen zu helfen. Wo auch immer und wie auch immer ich kann.
Dieses schweigsame Tun gibt mir die Kraft, für die Disziplin, die Geduld und die Zuversicht, die es braucht, bis das Böse überwunden ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32733
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