SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

09MRZ2021
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Seit Wochen ist unser Esstisch verwaist. Keine Gäste mehr, kein munteres Geplauder bei Wein und Wasser, kein Lob der Köchin. Was würde ich nach Wochen der Corona - Isolation für den Anblick von leeren Gläser, Flaschen und Abwaschgeschirr am nächsten Morgen geben. Sicher, eine einsame Mahlzeit kann man sich auch schön machen. Etwas Gescheites kochen, sich selber etwas mit Liebe zubereiten, etwas Musik auflegen. Aber meistens ist es doch so: Man isst, ohne hinzuschauen, irgendwas. Oder: Ein Blick in den Kühlschrank genügt, und man ist satt. Joachim Ringelnatz hat aufgeschrieben, wie sich das anfühlt: Einsam essen.

Essen ohne dich

Ich habe mich hungrig gefühlt,
Doch fast nichts gegessen.
War alles lecker, das Bier so schön gekühlt –
Aber: Du hast nicht neben mir
Gegessen.
Verzeihe: Ich stellte mir vor,
Dass das ewig so bliebe,
Wenn du vor mir---
Ach was geht über Liebe?!!

Muss ich nun doch
Ein paar Tage noch
Fressen, ohne Lust; o das hass ich.-
Aber wenn du von der Reise
Heimkehrst, weiß ich, dass ich
Wieder richtig speise.

Nichts gegen Austern und Champagner. Aber wichtiger zum „richtig speisen“ ist, dass jemand mit Leib und Seele mir gegenübersitzt, den ich gerne habe. „Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass“, heißt es in der Bibel. Das ist kein Kochrezept, das ist ein Lebensrezept. Und besser ein Gericht Kraut mit voll besetztem Esstisch als gemästeten Ochsen alleine verspeisen.  Wenn Menschen dabei sind, die wir mögen, dann wird jedes Essen zum Festessen. Also träumen wir davon: vom Tisch, gedeckt für acht Freunde und in der Mitte: ein Gericht Kraut mit Liebe für die Vegetarier, und irgendwas mit Fleisch für die anderen. Einfach wieder richtig speisen, egal was, Hauptsache mit echten Menschen, vielleicht schon im Sommer.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32711
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