Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11FEB2021
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Das ging gründlich daneben: Ein Pfarrer hätte gerne in seiner Weihnachtskrippe den Stall von Bethlehem in einen riesigen Corona-Ball implantiert. Da bekam er aber die „Fundis“  seiner Gemeinde an die Backe. Die bezichtigten ihn der Gotteslästerung.

Gotteslästerung? Die hätte dann allerdings schon damals in Bethlehem begonnen. Wenn Gottes Sohn sich nicht zu schade ist, in einem anrüchigen Stall zur Welt zu kommen, dann wird er sich auch nicht scheuen, in Not und Tod von heute, in die Corona-Pandemie hineingeboren zu werden.

„Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen“, so der Prophet Jesaja (53,4). Der verhieß damals seinem gequälten Volk die Ankunft eines Messias. Die Christenheit erkennt in ihm Jesus von Nazareth. An ihn glauben wir als unseren Retter und Erlöser. Auf ihn setzen wir, dass er sie nicht fallen lässt, die auf den Intensivstationen mit dem Tode ringen. 

Schwer an Covid erkrankt, schwebte ein Freund und Kollege von mir monatelang zwischen Leben und Tod. Man hatte ihn mehrere Male ins künstliche Koma legen und beatmen müssen. Auf Stöcke gestützt, tut er nun wieder mühsam die ersten Schritte. Kann jemand, der in seinen besten Lebensjahren so schwer gezeichnet wurde, überhaupt noch an Gott glauben? „Du fragst mich nach Gott“, schreibt er mir zurück und fährt fort: „Gott ist treu, ich habe ihn die ganze Zeit gespürt. Ich war nie allein, auch nicht in der Isolation.“ Und dann zitiert er noch jenen bekannten Liedvers: „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe….“ Diese Worte beschämen mich in meinem Kleinglauben und gereichen mir zum Trost.

Wir hoffen, dass Gott in seinem Menschensohn uns nahe ist, selbst im „Infektionsgeschehen“, wie die Virologen sagen. Dass er um unsere Angst weiß, infiziert zu werden. Ich glaube: Der, den wir unseren „Heiland“ nennen, steht auch den Heilenden bei, die sich unter Lebensgefahr um die Kranken bemühen. Auch den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, von denen im Frühjahr in Oberitalien viele ihr Leben verloren haben.

Mögen viele Kranke wie mein Freund spüren: „Gott ist treu. Er holt uns aus der Tiefe, damit wir leben...“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32558
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