Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10FEB2021
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Das war wie ein Gang über den Friedhof. Zusammen mit dem Betriebsrat marschieren meine Kollegen und ich durch menschenleere Fabrikhallen, jede so groß wie ein Fußballfeld. Gespenstische Stille – man hört den Hall der eigenen Schritte. Müde lassen die riesigen Lackier-Roboter, die hier montiert werden, ihre Arme hängen. Einige erst halbfertig, als kämen die Monteure gleich aus der Vesperpause zurück. Doch die kommen nie mehr wieder, sie sind gefeuert. Dabei haben sie dieses renommierte Maschinenbau-Unternehmen im Lauf vieler Jahre zu einem Welt-Player hochgepuscht. Nun ist die Bude pleite. Für einige Geschäftsbereiche wurden Investoren gefunden, die Kernsubstanz aber wird abgewickelt. Der erbitterte Kampf der Belegschaft um den Erhalt der Arbeitsplätze war vergebens. „Ich bin der Letzte und mache das Licht aus“, vermerkt der Betriebsrat bitter.

Offensichtlich führte eine gigantische Fehl-Kalkulation zur Insolvenz. Die Eigentümer-Familie hat sich längst aus dem Staub gemacht und lebt auf einer fernen Urlaubsinsel. Die Beschäftigten sind die Dummen. Betrogen um Arbeit und Einkommen, sehen sie einer düsteren Zukunft entgegen.

Mir geht es nicht darum, Schuld zuzuweisen. Aber eines ist klar: Arbeitsplätze wären sicherer, würde man die arbeitenden Menschen am Unternehmen beteiligen. Denn ihnen liegt manchmal mehr als den Kapitaleignern daran, dass der Laden läuft. Wer über nichts anderes verfügt als über seine Arbeitskraft, für den ist Erwerbsarbeit sozusagen die einzige „Lebensversicherung“.

Die Katholische Soziallehre hält ein Unternehmen für eine Fehlkonstruktion, in dem nur die Kapitaleigner das Sagen haben. Nun ja, das sind meine Worte. Man kann es etwas vornehmer ausdrücken, wie es ein Papst in einem seiner sozialen Rundschreiben tat: „In jedem Fall“,schreibt er der Wirtschaft ins Stammbuch, „sollten die Arbeitenden an der Gestaltung ihres Unternehmens aktiv beteiligt werden“.[1])Und warum? Weil Arbeit zum Menschsein dazu gehört, einfach lebensnotwendig ist. Daher hat Arbeit immer Vorfahrt gegenüber dem Kapital.  

 

[1]  Enzyklika „Mater et magistra“, Ziff. 91

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32557
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