Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05FEB2021
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„So isch’s no au wieder!“ sagen die Schwaben. Übersetzt: Alles hat (mindestens) zwei Seiten. Zuerst sieht man nur die eine, verteidigt seine Sichtweise mit Energie, verfolgt die eine Möglichkeit, die man sieht. Und plötzlich kann man einsehen: Es geht auch anders. Gut, wer dann ganz gelassen sagen kann: „So isch’s no au wieder!“

Ich lebe nun schon mehr als mein halbes Leben bei den Schwaben. Aber ich merke: Mir fehlt diese Gelassenheit. Oft jedenfalls. Ich kann mich nur schwer daran gewöhnen, dass es auch anders geht, als ich es mir vorstelle.

Die Kinder haben Pläne, wollen umziehen, wollen anderswo ganz neu anfangen. Dabei geht es ihnen doch gut, wo sie jetzt sind. Finde ich jedenfalls. Ist das denn nötig, dass sie noch einmal neu durchstarten? Wer weiß, ob das klappt. Ich selbst gehe demnächst in den Ruhestand. Ich weiß genau, wie ich mir meine Nachfolge vorstelle. Aber natürlich kann ich das nicht  entscheiden. Vielleicht wird also alles ganz anders. Irgendwie macht mich das unruhig.
Ich wüsste gern, was kommt und wie es weitergeht. Kann denn nicht alles so bleiben, wie es ist?

Ein bisschen geht es mir dabei vielleicht wie Mose.  Der bekam von Gott einen großen Auftrag. Er sollte sein Volk aus der Sklaverei befreien. Dabei war er ein Flüchtling und Schafhirte – mehr nicht. Dieser Auftrag – das war eine Chance. Die könnte in die Freiheit führen. Aber war das nicht auch gefährlich? Immerhin musste er sich gegen einen mächtigen Staat durchsetzen. Vermutlich hatte Mose sich seine Zukunft anders vorgestellt. Ruhiger.

Er findet deshalb auch eine Menge Argumente und Ausflüchte, warum das gar nicht gehen kann. Aber Gott sagt ihm: „Ich will mit dir sein!“. Das genügt. Mose geht die Aufgabe an und nach langen Jahren ist es endlich geschafft. Sein Volk ist frei und kann leben.

„Ich will mit dir sein!“: Gott steht nicht auf einem Standpunkt fest. Für ihn muss nicht alles bleiben, wie es ist. Er geht mit auf den Wegen, die Menschen gehen. Auch wenn es anders kommt. Manchmal geht er sogar voraus. Auch wenn man neu anfangen will oder muss. Gott geht mit, auch auf den Umwegen und Abwegen und auch, wenn man umkehren muss, weil es nicht mehr weiter geht.

Christlicher Glaube ist kein Standpunkt. Glaube ist eine Weg-Begleitung manchmal sogar eine Weg-Führung, weil ja auch das Leben ein Weg ist. Es ist gut, dass man sein Gottvertrauen mitnehmen kann und sich immer wieder erinnert an dieses: „Ich will mit dir sein.“

Ich glaube: So kann man ohne Angst in die Zukunft gehen. Auch wenn noch nicht klar ist, welches der richtige Weg ist. „So isch’s no au wieder!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32532
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