Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30JAN2021
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Ich habe keine Kinder. Aber meine Nachbarn haben welche. Die einen vier, die anderen drei. Ich schaue genau hin, wie es ihnen in diesen Wochen geht. Weil ich bei Ihnen mitkriege, wie anstrengend es ist, stelle ich die Kinder heute in den Mittelpunkt. Was es für Familien bedeutet, den Alltag zu organisieren: Kita und Schule, Hobbies, Freunde, Vereine usw. Das muss alles koordiniert werden. Schon unter normalen Umständen. Aber jetzt im zweiten Lockdown, jetzt merke ich, wie es Familien an den Rand bringt und wie anstrengend es ist, jedem Kind gerecht zu werden. Vier Kinder im Homeschooling bzw. ohne Kita, das heißt: viermal ein anders Programm an Aufgaben, an Begleitung, an Betreuung. Und die Anforderungen sind enorm, das hinzubekommen. Bei den technischen Voraussetzungen angefangen. Anstrengend ist auf Dauer, dass alle zu Hause sind und es kaum Möglichkeiten gibt, dem auszuweichen. Und dann lauert da die Erwartung, der Lehrplan möge erfüllt werden, die Schüler sollten nichts versäumen, damit sie gut auf die nächsten Prüfungen vorbereitet sind. Das setzt alle unter Druck: die Lehrer, die Eltern und am meisten die Kinder.

Über meine Nachbarn muss ich mir keine Sorgen machen. Ich merke ihnen an, dass sie manchmal genervt sind und sie sich mehr Unterstützung wünschen. Durch klare Ansagen aus der Politik, durch rechtzeitige Planung von Seiten der Schule. Aber sie schaffen das. Bei anderen Familien bin ich mir da nicht so sicher. Um manche Kinder mache ich mir große Sorgen. Weil sie allein gelassen sind oder sich so fühlen. Eltern, die nicht zuhause bleiben können, die mit den digitalen Wegen des Lernens überfordert oder psychisch angeschlagen sind. 

Ich weiß, dass unser Staat Hilfen bereitstellt und die Familien nicht allein lassen will. Aber ich sehe auch, dass das nicht ausreicht. Gerade im Bereich von Erziehung und Bildung klaffen große Lücken. Es besteht die Gefahr, dass die schwächeren Glieder in unserer Gesellschaft zu kurz kommen. Es muss mehr Geld in die Hand genommen werden, um die Betreuung von kleinen Kindern nicht erst im Notfall möglich zu machen. Wenn die Datenleitungen zusammenbrechen, weil alle via Computer arbeiten, dann merken wir unmittelbar, wo investiert werden muss. Aber Geld allein reicht eben nicht aus. Es muss immer wieder gesagt, ins Bewusstsein gerückt werden, dass wir uns um die Schwächsten zuerst kümmern müssen. Um die Kinder, um die Alten in den Pflegheimen. Mit allen Mitteln. Das ist auch Aufgabe der Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32478
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