Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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28JAN2021
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Wunschlos glücklich. Mag sein, dass das für viele eine erstrebenswerte Vorstellung ist. Alles da, was man braucht. Alles an seinem Platz. Keine Wünsche mehr offen. Wahrscheinlich halte ich wenig von dieser Vorstellung, weil sie so unrealistisch ist. So ist unsere Welt eben nicht. Und mein Leben auch nicht. Immer fehlt etwas. Ständig klappt etwas nicht. Überall stoße ich an Grenzen. Und jeden Tag begegnet mir ein Mensch, der unglücklich ist, traurig, niedergeschlagen. So sieht es aus. Und das ist meilenweit davon entfernt, perfekt zu sein. Im Gegenteil: Mein ganzes Leben besteht darin, dass ich einigermaßen mit dem zurechtkomme, was halbfertig ist. Das bedeutet aber ganz und gar nicht, dass ich die Flinte ins Korn werfe. Wenn ich einen starken Antrieb in meinem Leben habe, dann den: Ich will an einer besseren Welt mitarbeiten. Teil der Vision sein, die daran glaubt, dass es besser gehen kann als im Moment. Als Christ: Beteiligt zu sein an dem, was Jesus das Reich Gottes genannt hat. Das war seine Vision. Die hat er gelebt. Dafür hat er Freundinnen und Freunde gesucht.

Wahrscheinlich gefällt mir deshalb der folgende Satz von Friedrich Dürrenmatt so gut: „Man darf nie aufhören, sich die Welt vorzustellen, wie sie am vernünftigsten wäre.“ Da stecken für mich drei wesentliche Erkenntnisse drin.

Erstens. Ich akzeptiere, dass unsere Welt nicht vollkommen ist. Leider erlebe ich viel Widerstand dagegen zu akzeptieren, dass es Negatives gibt - Leid, den Tod, böse Menschen. Und dass es zwingend notwendig ist, sich damit auseinanderzusetzen, damit man begreift, was man dagegen tun kann.

Das ist das Zweite in Dürrenmatts klugem Satz: Nie aufhören. Ja, es gibt Rückschläge. Und müde wird man auch. Aber den Willen weiterzumachen, wenn es wieder geht, die Hoffnung, dass es immer besser werden kann, und dass es dabei auch auf mich ankommt, die gebe ich nicht auf, komme, was da wolle.

Und dann, drittens, nennt Dürrenmatt seinen Maßstab für eine bessere Welt. Die Vernunft. Sie ist auch der Ort um zu verstehen, was Gott von uns erwartet. Ich wüsste keine andere Möglichkeit, wie wir uns verständigen sollten über den richtigen Weg. Sonst gehen wir in die Irre.

Dürrenmatt wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden. Sein Satz ist ein schönes Vermächtnis: „Man darf nie aufhören, sich die Welt vorzustellen, wie sie am vernünftigsten wäre.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32477
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