Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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21JAN2021
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Um die Wahrheit zu verschleiern, muss man gar nicht unbedingt Lügen in die Welt setzen. Es kann schon reichen, einfach entscheidende Kleinigkeiten wegzulassen. Davon erzählt still und heimlich auch eine Geschichte in der Bibel.

Drahtzieher ist dort der israelitische König Ahab. Der möchte neben seinem Palast einen Garten anlegen. Dafür muss er aber zunächst den dort angelegten Weinberg kaufen. Dessen Besitzer Nabot lehnt dieses Geschäft aber ab – und nennt einen entscheidenden Grund: „Der Herr bewahre mich davor, dass ich dir den Erbbesitz meiner Vorfahren gebe!“

Damals war man in Israel der Auffassung, dass Land eigentlich nicht Menschen gehört, sondern Gott. Deshalb durfte man Grundstücke nicht verkaufen. Sie konnten im Normalfall nur vererbt werden. Diese Regelung hat geholfen, übermäßigen Großgrundbesitz zu vermeiden.

König Ahab muss das schon vor seiner Anfrage gewusst haben. Und trotzdem gerät er jetzt in Zorn. Wütend kommt er nach Hause, geht ohne Essen ins Bett und dreht sich weg zur Wand. Als seine Frau ihn fragt, was denn los ist, schildert Ahab die vorausgegangene Begegnung mit Nabot. Seine eigene Frage nach dem Weinberg wiederholt er dabei wortwörtlich. Nabots Antwort verkürzt er aber entscheidend: „Meinen Weinberg bekommst du nicht!“

Ahab lässt hier nur ein kleines Detail weg – die Bezeichnung des Weinbergs als „Erbbesitz meiner Vorfahren“. Aber das ist eben die entscheidende Begründung für Nabots Absage! Dass Nabot das Kaufangebot des Königs ablehnt, dafür scheint es nun plötzlich keinen triftigen Grund mehr zu geben. Es hört sich so an, als ob er einfach nicht will. Oder sogar den Preis hochtreiben möchte. Nabots Absage klingt jetzt also ganz anders. Plötzlich kann man sie viel besser in Frage stellen.

Ahab und seine Frau zetteln dann eine Intrige gegen Nabot an, dieser wird mit Hilfe falscher Zeugen angeklagt, verurteilt und schließlich hingerichtet. Am Schluss bekommt König Ahab den Weinberg sogar ganz umsonst.

Eine Geschichte aus alten vergangenen Zeiten? Ihr Inhalt bleibt aktuell, denke ich. Und ich denke erschrocken: Die Wahrheit geschickt verkürzen, so dass sie missverstanden werden kann oder soll – das habe ich auch schon gemacht. Nicht mit so gravierenden Folgen. Aber es ist und bleibt schwierig. Die Bibel hält mir da einen Spiegel vor. Und macht mich aufmerksam, in Zukunft genau zu überlegen, was die volle Wahrheit ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32419
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