SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

26DEZ2020
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Die Krippe im Stollen. Mein Weihnachtsbild. Mit dem Kind im dunklen Stollen von dem Licht ausgeht. Gemalt von einem alten Mann.

Es war vor Jahren. An Weihnachten. Ich besuchte einen alten Mann.

Mit schwacher Stimme begrüßte er mich vom Pflegebett aus. Sein Zimmer war von Kerzen erhellt und sein Gesicht leuchtete in ihrem Licht.

Was er mir alles erzählte aus seinem Leben! Von den Schrecken des Krieges. Der Angst damals, die er als junger Mann hatte. Beim Bombenangriff im dunklen Grubenstollen. Aber auch von der Liebe zu seiner Frau. Und so dankbar sei er, wenn er an seine drei Kinder denkt und was aus ihnen geworden ist.

Seine Augen fingen zu leuchten an, als er mir dann von seiner großen Leidenschaft erzählte. Das Schnitzen und Malen. Das hat ihn beschäftigt. Fast sein ganzes Leben. Viele Kunstwerke hat er geschaffen. Darauf ist er stolz.

Eines seiner Bilder hat er mir damals geschenkt. Es ist ein Weihnachtsbild. Den Stall hat er nicht gemalt. Sein Jesuskind liegt in einem dunklen Stollen. In Erinnerung an seine traumatischen Erfahrungen im Krieg.

Die einzige Lichtquelle geht vom Kind aus. Es sei schwierig gewesen dashinzubekommen, meinte er. Und er fügte an: Dieser Jesus ist mir Licht in allem Dunkel. Bis heute.

Es ist ihm gelungen das hinzubekommen. So dunkel der Stollen auch ist: das Licht, das vom Kind ausgeht hat Kraft. Maria und Joseph, zwei Hirten, ein Hirtenhund und zwei Schafe sind eingehüllt in den Goldglanz seines Lichtes.

Der alte Mann und sein tiefes Vertrauen, dass dieser Jesus seine Dunkelheit erhellen kann. Selbst in seinem nahen Tod setzt er noch auf ihn. Ihm und seinem Gott hat er die Treue gehalten.

Sein ganzes Leben lang. In seinen Ängsten als junger Mann im Krieg. Und jetzt noch am Ende seines Lebens.

Er hat gemalt, was ihn in seinem Leben getragen hat.

In der Weihnachtszeit hat sein Bild in meiner Wohnung einen besonderen Platz. Es ist meine Weihnachtskrippe.

Musik

Mein Weihnachtsbild. Mit dem Kind im dunklen Stollen von dem Licht ausgeht. Gemalt von einem alten Mann.

In der Dunkelheit dem Licht trauen. Wie kann das gut gehen?

Gott vertrauen. Wenn ich krank bin. Jetzt in Pandemiezeiten. In den persönlichen Krisen meines Lebens. Selbst noch im Angesicht des Todes.

Heute wird der Gedenktag des heiligen Stephanus gefeiert. Seine Geschichte aus der Bibel, passt ganz und gar nicht in die Festtagsstimmung von Weihnachten.

Kaum sind die Sätze vom Licht, das vom Kind ausgeht, vom Gesang der Engel und den erwartungsvollen Hirten verklungen, wird heute von Verfolgung, Gericht und dem gewaltsamen Tod des Stephanus berichtet.

Der war unerschrocken und redegewandt. Jesus war sein und alles. Ganz Jerusalem war von Stephanus begeistert. Er brannte für seinen Glauben an Gott.

Doch einige Gelehrte suchten Streit mit ihm. Argumentativ waren sie schwach. Ihre Hetzkampagnen und die über ihn verbreiteten Fake News brachten ihn vor das Gericht. Dort hielt er die Rede seines Lebens. Was dann folgt ist nur grausam. Sie treiben ihn die Stadt hinaus und bewerfen ihn mit Steinen. Bis er verblutet. Doch selbst noch in seinem brutalen Sterben vertraut er sich Jesus und seinem Gott an.  

An den beiden Weihnachtsfeiertagen werden wir mit beidem konfrontiert. Mit der Geburt eines Kindes und der brutalen Steinigung des Stephanus.

Es sind Realitäten unseres Lebens. Geburt und Tod. Friede und Gewalt. Gute Zeiten und schlechte Zeiten. Gnadenlos begegnen wir all dem oft gleichzeitig.

Wer sich auf Jesus und seinen Gott einlässt, wird nicht verschont vom Dunkel dieser Welt.

Der alte Mann, der mir sein Weihnachtsbild vor Jahren schenkte hat mit seinem dunklen Stollen angedeutet, was ja auch Jesus nicht erspart blieb. Seine Geburt in einfachen Verhältnissen, die Flucht der jungen Familie mit dem Kind, sein Kreuzweg und brutales Sterben.

Ich schaue auf mein Bild. Auf die Krippe. Das Kind im Licht.

Mittendrin im finsteren Stollen.

Jesus hat in seinem Leben viel Dunkelheit erlebt. Trotzdem hat er Gott  vertraut.     

Er hat dem Licht mehr getraut, als allem Dunkel.

So wie der alte Mann. So wie Stephanus.

Wir feiern an Weihnachten, dass Gott sich bedingungslos an unsere Seite stellt.

Der frühere Bischof des Bistums Limburg, Franz Kamphaus, hat den Sinn von Weihnachten einmal so zusammengefasst:

Mach’s wie Gott, werde Mensch.

Mensch werden. Wie Gott.

Wenn ich auf dieses Kind im Licht schaue, verpflichte ich mich zur Menschlichkeit.

Zur Solidarität in Krisenzeiten. In der Krankheit.

Zum Engagement für Menschen auf den Schattenseiten des Lebens.

Immer in der Sorge für eine Welt, die Zukunft hat für unsere Kinder und Enkel.

Ich wünsche Ihnen einen schönen zweiten Weihnachtsfeiertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32345
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