SWR4 Sonntagsgedanken

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27DEZ2020
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Die eigene Liste.

Haben Sie eine Bucket List? Das ist ein englischer Begriff, der sich nur schwer übersetzen lässt. Gemeint ist eine Liste mit Dingen, die man erledigt haben möchte, bevor das Leben vorbei ist. Seit 2007 ist dieser Ausdruck auch im Deutschen in Gebrauch. In diesem Jahr kam ein Film in die Kinos, der erzählt, wie zwei kranke Männer gemeinsam so eine Liste abarbeiten. Der Film heißt „Das beste kommt zum Schluss“. Der englische Titel ist „The Bucket List“.

Wenn man im Internet nach solchen Listen sucht, findet man eine ganze Menge. Anscheinend ist es vielen Menschen ein Bedürfnis, ihre Träume und Wünsche anderen mitzuteilen. Sie zeigen damit, was sie zu ihrem Glück brauchen. Gleichzeitig geben sie anderen ein Vorbild, was man im Leben so gemacht haben muss. Die Eintragungen sind sehr unterschiedlich. Da steht zum Beispiel ‚Barfuß im Regen tanzen‘ oder ‚den Mount Everest besteigen‘. Viele dieser Listen sind über 50 Wünsche lang.

Wissen Sie, ich persönlich mag solche Listen nicht. Klar, ich seh‘ schon den Vorteil: Man macht sich über seine Wünsche Gedanken. Aber mich stresst der Gedanke, meine Wünsche erfüllen zu müssen. Für mich wäre das zuviel Druck, weil ich dauernd in Sorge wäre, mein Glück nicht zu erreichen. Das setzt mich richtig unter Druck. Das ist nichts für mich. Das macht mich nicht glücklich. Aber natürlich habe ich auch Ziele: Zum Beispiel will ich nächstes Jahr einen Weitwanderweg laufen, vielleicht vom Odernwald zum Donnersberg. Mit Übernachtungen zwischendrin, das ging dieses Jahr nicht.

Warum ich solche Bucket Listen trotzdem nicht mag? Das Leben dreht manchmal ungeahnte Kurven. Ich halte es nicht für so planbar, dass ich eine Liste gezielt abarbeiten kann. Außerdem braucht es dafür natürlich auch Geld. Im Film ist der eine Mann Millionär mit eigenem Privatjet. Er kommt schnell von New York nach Indien. Ich konnte nicht mal Urlaub im Odenwald machen.

Ich habe Kolleginnen und Kollegen gefragt: „Was würdest Du sehen oder erleben wollen und könntest dann erfüllt abtreten?“ Alle haben gesagt: Das kann ich nicht beantworten. Es verändert sich laufend. Ich möchte gerne Leben. Gut, auf Rückfrage hab ich ein paar Details bekommen: Island bereisen, den Jakobsweg laufen. Aber Bucket Listen hat von den Menschen, die ich gefragt habe, keiner gemacht. Offensichtlich denken sie wie ich: Das Leben ist nicht planbar. In diesem Jahr haben wir ja gesehen, wie schnell man seine Pläne ändern muss.

Trotzdem schaue natürlich auch ich zwischen den Jahren zurück und nach vorne. Dann frage ich mich: Was hab ich geschafft, was war gut? Was war schlecht? Und danach frag ich mich: Was hab ich vor? Wo will ich hin? Wann nehme ich Urlaub? Es ist ja schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.

Die christliche Bucket List

In der Bibel wird von einem Mann namens Simeon erzählt. Der hatte auch noch mindestens einen unerfüllten Wunsch. Simeon lebte in Jerusalem am Tempel. Er war schon alt, aber auf eines wartete er schon sein Leben lang: Gottes Messias, also den Erlöser, zu sehen. Und wie er da sitzt, kommen Maria und Josef mit dem 8 Tage alten Jesus zum Tempel und Simeon ruft: „Herr, jetzt kann dein Diener in Frieden sterben, wie du es versprochen hast. Denn mit eigenen Augen habe ich gesehen: Von dir kommt die Rettung.“

Für Simeon war die Bucket List sehr kurz. Er wollte nur eine einzige Sache erleben! Er wollte spüren, dass es in seinem Leben Spuren von Liebe, Versöhnung und Friede gibt. Und in diesem Paar mit seinem Säugling hat er das gesehen. Alles, was Gott versprochen hat in diesem besonderen Kind! Es ist nicht ganz einfach, das Gefühl in Worte zu fassen, das Simeon gehabt hat. Ich denke, das richtige Wort dafür ist: Simeon war glücklich.

Simeon ist Gott begegnet in einem Kind. Er hat begriffen: hier fängt das an, was Gott für seine Menschen will: Liebe. Frieden. Versöhnung. Da war Simeon glücklich. Seine Bucket List hatte sich erfüllt. Er hat Gott gesehen. Wir Menschen heute haben natürlich den Nachteil, Gott nicht im Jesuskind zu sehen. Aber Liebe, Friede und Versöhnung finden sich auch bei uns noch. Davon bin ich überzeugt. Und dann fängt auch bei uns an, was Gott für seine Menschen will.

Zwei Tage nach Weihnachten ist mir ganz klar, dass Gott sich eher bescheiden in der Welt zeigt. Als Kind in der Krippe aus einer armen Familie. In dem harmonischen Moment bei der Familienfeier kurz bevor die Geschenke aufgerissen werden. Wenn für einen Augenblick alles gut scheint und fröhlich. In echter Freude eben. Und die können wir nicht herstellen. Die bekommt man geschenkt. Plötzlich ist sie da.

In dem Film „Das beste kommt zum Schluss“ wird das auf sehr sentimentale, aber durchschlagende Weise gezeigt. Auf der Liste steht Das schönste Mädchen der Welt küssen. Kurz vor dem Schluss lernt einer der beiden Männer seine Enkelin kennen. Weil er sich mit seiner Tochter zerstritten hatte, hatte er keinen Kontakt zu ihr. Er küsst sie und streicht diesen Wunsch durch. Da merkt er wie Simeon: Glücklich ist er, wo er Liebe, Versöhnung und Friede spürt.

Jetzt denke ich gerade: So eine Bucket List, die nach Liebe, Versöhnung und Friede sucht, kann ich mir auch für mich vorstellen. Das Glück geschenkt bekommen – darauf lass ich mich ein. Sie vielleicht auch?

Ich wünsche Ihnen gesegnete Tage und kommen Sie gut hinüber ins neue Jahr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32232
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