Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12DEZ2020
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„Katharina du bist schön“ steht an der Brücke, unter der ich fast jeden Tag durchfahre – aufgesprüht mit blauer Farbe auf grauen Beton. Die Botschaft stammt von: „Jesus“. Jedenfalls steht das als Absender drunter. „Katharina du bist schön. Jesus“.

Wenn ich unter der Brücke durchfahre, frage ich mich manchmal, wer Katharina wohl ist. Natürlich weiß ich es nicht. Aber ich stelle mir vor: Katharina ist ein Teenager. Und sie ist unzufrieden mit ihrem Äußeren, so wie viele Jugendliche das heute sind.

„Das liegt an Insta“, hat mir meine Tochter neulich erklärt. Instagram ist eine Online-Plattform, auf der vor allem junge Leute Bilder teilen. Meistens Fotos von sich selbst. Natürlich machen das in erster Linie die, die sich selbst schön finden und stolz auf ihr Aussehen sind. Und zusätzlich werden die Bilder auch noch digital bearbeitet und noch schöner gemacht. Wenn man diese Fotos sieht, bekommt man den Eindruck: Es gibt nur schöne und perfekte Menschen. Und wenn man sich selber nicht so schön findet, fühlt man sich schlecht. Ich stelle mir vor: So geht es auch Katharina. Und irgendjemand, der das weiß, hat ihr deshalb diese Botschaft an die Brücke geschrieben: „Katharina du bist schön“.

Ich denke, der Sprayer hatte gar nicht Unrecht, als er mit dem Namen „Jesus“ unterschrieben hat. Ich glaube, Jesus würde das tatsächlich zu Katharina sagen: „Du bist schön. – Du bist schön, aber nicht weil du irgendeinem Schönheitsideal entsprichst. ­– Das spielt für mich überhaupt keine Rolle“, würde Jesus sagen. „In meinen Augen bist du schön, weil es dich gibt und weil du mir viel bedeutest. Und ich möchte dir helfen, dass du dich auch so sehen kannst. Dann musst du dich nicht mehr mit anderen vergleichen. Du kannst dich dann an dir freuen, so wie du bist“.

Sich nicht mit anderen vergleichen, das ist leichter gesagt als getan. Nicht nur Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen fällt das schwer. Und auch Erwachsene schaffen es oft nicht, dass ihnen nicht so wichtig ist, was die anderen sagen. Umso mehr hat mich beeindruckt, was eine Schülerin von mir einmal im Unterricht geschrieben hat, nämlich: „Viele suchen die Anerkennung im Internet, statt bei sich selbst anzufangen und mit sich zufrieden zu sein. Gott und Gespräche mit Gott können dabei meiner Meinung nach sehr helfen. Man weiß [dann], man ist auch so genug und wird geliebt“.

Vielleich sollten Katharina und diese Schülerin einmal miteinander reden. Dann bekäme Katharina noch eine Botschaft: „Du bist auch so genug und wirst geliebt“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32172
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