Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08DEZ2020
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Unser Rittersporn ist ein kleines Wunder. Ich sehe ihn jeden Tag, wenn ich aus dem Küchenfenster in unseren Garten schaue. Die Bäume und Büsche haben keine Blätter mehr, die Stauden und Kräuter sind längst verwelkt. Aber mittendrin steht dieser Rittersporn und blüht. Leuchtend blau. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist. Besonders schön sieht es aus, wenn morgens der Raureif auf den Blüten liegt.

Ein bisschen wie der Rittersporn ist Weihnachten für mich. So wie die Blume mitten in unserem ansonsten trostlosen Garten blüht, so liegt auch Weihnachten als Fest mitten in den dunklen und kalten Monaten des Jahres. Und wie ich mich jedes Mal freue, wenn ich den Rittersporn durchs Küchenfenster sehe, freue ich mich jetzt in der Adventszeit auch, wenn ich an die Weihnachtstage denke – trotz der Einschränkungen, die Corona mit sich bringt. Oder vielleicht grade deswegen.

Viele andere Lichtblicke, die einem die dunkle Jahreszeit erträglicher machen, sind ja durch die Pandemie nicht möglich: Der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, ein Konzert im Jazzclub oder das Frühstück im Lieblingscafé zum Beispiel – das alles waren helle Farbtupfer, die mir sonst durch die grauen Tage geholfen habe. Umso wichtiger ist für mich Weihnachten dieses Jahr.

Und auch die Botschaft von Weihnachten leuchtet für mich vor dem dunklen Hintergrund ein bisschen heller als sonst. Die Pandemie hat eine Verunsicherung und Unzufriedenheit gebracht, die neu ist – zumindest für mich. Das Leben ist durch das Virus verletzlicher geworden.

Die Botschaft von Weihnachten ermutigt mich. Sie sagt: Gott ist Mensch geworden, um uns nahe zu sein. Jesus ist damals im Stall von Bethlehem auch in eine sehr unsichere Zeit hineingeboren. Kein Virus, sondern die römische Besatzungsmacht hat den Menschen damals in Israel zu schaffen gemacht. In diese Stimmung hinein ist Gottes Sohn geboren, um bei den Menschen zu sein. Bei den Unzufriedenen, den Ungeduldigen und Ängstlichen. Um ihnen ihre Angst zu nehmen und Vertrauen zu geben.

Weihnachten wird in diesem Jahr anders als wir es gewohnt sind. Für manche Menschen wird es stiller und auch einsamer. Vielleicht hilft ihnen der Gedanke: Auch das allererste Weihnachten war ganz anders als das Familienfest, das wir gewohnt sind. Und trotzdem hat die Geburt von Jesus damals Menschen froh gemacht: die Hirten auf dem Feld, in der Nacht – „mitten im kalten Winter“ wie es in einem Weihnachtslied heißt (Es ist ein Ros entsprungen; Evangelisches Gesangbuch 30).

Daran erinnert mich mein Rittersporn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32168
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