Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07DEZ2020
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Begeistert leben. – Wie das geht, zeigt mir Jean-Luc Bannalec. Der Krimiautor ist nämlich begeistert von der Bretagne. Das spürt man in seinen Romanen. In denen geht es nicht nur um spannende Kriminalfälle, sondern auch darum, wie schön die Halbinsel im Westen von Frankreich ist. Wenn Bannalec ganz enthusiastisch einen Strand, das Meer oder den Himmel beschreibt, hat man den Eindruck: das ist der schönste Ort auf der Welt. Und es packt einen sofort das Fernweh.

Dabei könnte Jean-Luc Bannalec die Bretagne auch ganz anders beschreiben. Viel nüchterner. Er könnte schreiben: „Es war schönes Wetter“. Stattdessen heißt es: Der Tag war „lichtdurchflutet, strahlend, klar, hell, wie frisch gewaschen“, und er behauptet:  In der Bretagne gebe es „mehr Licht als anderswo“.

 „Ich glaube sehr an den Enthusiasmus“, hat Jean-Luc Bannalec in einem Interview gesagt. Ich denke, damit meint der Autor: Es ist gut, enthusiastisch auf die Dinge zu sehen. Nicht nur auf die Bretagne. Es geht um einen Haltung: Schaue ich nüchtern oder sogar griesgrämig auf die Welt, auf mein Leben und auf die anderen Menschen oder eben – begeistert.

Als Christ denke ich, enthusiastisch leben heißt, die Welt ein bisschen so zu sehen wie Gott sie sieht. Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel erzählt: Nachdem Gott Himmel und Erde erschaffen hat, hat er sich alles nochmal genau angeschaut. Und Gott ist zu dem Schluss gekommen: „und siehe, es war sehr gut“. Enthusiastisch leben heißt, sich diese Sicht Gottes zu eigen machen. Das bedeutet das griechische Wort enthusiastisch, wenn man es wörtlich übersetzt: en theos „von Gott erfüllt“ sein.

Begeistert leben meint: Mit offenen Augen für das Schöne und Gute durchs Leben gehen. Die schönen und guten Sachen nicht gleichgültig übersehen, sondern bewusst wahrnehmen und sich daran freuen: An einem Musikstück, an einem guten Essen oder dem Sonnenaufgang – der kann nämlich auch außerhalb der Bretagne atemberaubend schön sein. Auch wenn man müde, in einem kalten Auto mit Corona-Maske auf dem Beifahrersitz morgens zur Arbeit fährt.

Ein Problem gibt es mit der Begeisterung: Man kann sie nicht machen. Die Begeisterung muss über einen kommen. Man kann sich nicht vornehmen, enthusiastisch zu sein. Aber: Ich kann die Augen offen halten. Ich kann mich anstecken lassen von enthusiastischen Krimiautoren. Und ich kann Gott darum bitten, dass er mir seinen Geist der Begeisterung schenkt.

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