Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25NOV2020
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Manchmal muss man mit Engelszungen reden, zum Beispiel um bockigen Kindern einen Weg heraus aus ihrem Trotz zu zeigen. Da hilft kein strenges Machtwort, das macht es höchstens schlimmer. Auch für verbohrte Erwachsene braucht man manchmal Engelszungen. „Basta“ zu sagen ist einfach, hilft aber nicht weiter. Man muss versuchen, die anderen mit guten Argumenten zu überzeugen. Ich bewundere die, die das können.

„Mit Engelszungen reden“: Diese Redewendung hat ihren Ursprung in Martin Luthers Bibelübersetzung. Im Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt der Apostel Paulus nämlich über Menschen, die in der Gemeinde besonders angesehen sind. Luther hat das so übersetzt:

„Wenn ich mit Menschen und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönender Gong oder eine klingende Schelle“ (1. Kor 13, 1) Gut und klug reden können ist wichtig, so verstehe ich das. Besser jedenfalls, als wenn jemand nichts sagt aus falsch verstandener Rücksicht oder weil er beleidigt ist. Aber da gibt es einen Haken, erinnert Paulus: Wer andere bloß überreden will, womöglich mit Gerüchten und Lügen und Falschinformationen, wer mit schlauen Worten nur seine eigenen Interessen durchsetzen will – der macht eigentlich bloß Lärm. Geht am Ende anderen auf die Nerven mit seinem Geschwätz. Es gab und gibt Beispiele dafür, bis in die Gegenwart.

Zu der Gabe, mit Engelszungen zu reden, muss die Liebe dazu kommen. So, wie es sich für einen Engel gehört. Und die Liebe redet nicht im eigenen Interesse. Die Liebe fragt nach dem anderen und was für den gut ist. Liebe will nicht aus Bequemlichkeit überreden, damit endlich Ruhe ist. Liebe redet nicht, um Beifall zu erhalten, sondern um Dinge zum Guten zu verändern.

Die Liebe braucht nicht blendende Worte. Sie versucht nicht, die andere mit Säuseln und Raunen für sich einzunehmen. Paulus schreibt den Korinthern: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie eifert nicht… sie bläht sich nicht auf… sie sucht nicht das ihre…sie freut sich an der Wahrheit…“ (1. Kor 13, 4-6).

So mit Kindern reden, dass sie merken: Es geht um mich! So mit Erwachsenen im Gespräch bleiben – dazu muss man nicht sprachgewandt sein und besonders glanzvoll reden, auch nicht besonders schlagfertig. Aber liebevoll muss man sein, nicht nur von sich selber beeindruckt sondern am anderen interessiert. Dann kann man wirklich mit Engelszungen reden – und viel erreichen.

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