Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23NOV2020
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Sprüchemacher nennt man Leute, die großmäulig und frech das Blaue vom Himmel herunter phantasieren um sich wichtig zu machen. Große Klappe und nichts dahinter sagt man dann oft und ärgert sich, wenn man auf so einen Angeber hereingefallen ist.

Martin Luther war auch ein Sprüchemacher. Aber nicht so, dass er versucht hätte, mit falschen Versprechungen Leute zu betrügen. Luther hat wirklich Sprüche gemacht. Er hat Worte, Sprüche und Redewendungen erfunden. Worte wie Nächstenliebe, Herzenslust und Ebenbild, Morgenland, Feuertaufe, Judaslohn und Bluthund, Machtwort, Schandfleck, Lückenbüßer und Lockvogel, Lästermaul, Gewissensbisse, „Ein Herz und eine Seele sein“, „die Zähne zusammenbeißen“, – das sind Sprachbilder und Redewendungen, die bis heute auf den Punkt bringen, was einer meint. Und Luther hat sie erfunden, als er vor 500 Jahren die Bibel ins Deutsche übersetzt hat.

Es gab zwar schon vorher Übersetzungen. Aber vor Luther gab es immer nur Versuche, die Bibel ganz wörtlich aus dem Lateinischen oder dem Griechischen zu übersetzen. Und das funktioniert genauso wenig, wie der Versuch Deutsch wörtlich ins Englische zu übersetzen. Oder Französisch ins Deutsche. Das klingt ungelenk und ist schwer zu verstehen. Verständlich wird es, wenn man den Sinn erfasst und dann eben die entsprechenden Worte nimmt. Wer sich in der Schule mit Übersetzungen geplagt hat, der kennt das.

Dazu kommt, dass Luther das Chaos der zahllosen regionalen Mundarten, die es damals gab, durch eine überregionale, allgemein verständliche Sprache ersetzt hat. Er hat die mitteldeutsche, sächsische Kanzleisprache verwendet. Durch den Handel nach Norden und Osten, Westen und Süden war die damals schon eine Art Schriftsprache.

Und Luthers Bibelübersetzung, für die er „dem Volk aufs Maul geschaut“ hat, hat diese Schriftsprache der Kaufleute und der Gebildeten zur deutschen Nationalsprache gemacht. Und bis heute sind viele seiner Wortschöpfungen geläufig, auch wenn man sich sonst nicht so in der Bibel auskennt.

Mein Lieblingswort aus Luthers Sprachschatz ist das Wort „friedfertig“. Ein Mensch, der willens ist, Frieden zu schaffen und zu halten – der ist friedfertig. Fertig zum Frieden. So einer muss sich nicht aufplustern und andere einschüchtern. Er muss nicht mehr nachkarten. Nicht Recht behalten. Keine Bedenken mehr ausräumen. Er ist fertig zum Frieden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32072
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